Ausbildung neu denken am Bundeswehrzentralkrankenhaus

H. Bergmann, H.-U. Schmelz

Bundeswehr/Andreas Weidner

Das Bundeswehrzentralkrankenhaus (BwZKrhs) ist neben der Behandlung seiner Patienten auf höchstem Niveau der Weiterbildung seiner ärztlichen und nichtärztlichen Teammitglieder verpflichtet.

Um für alle WeiterbildungsassistentInnen eine möglichst transparente und langfristige Planung ihrer Weiterbildungsabschnitte sicherzustellen, wurde eine Zelle Weiterbildungssteuerung eingerichtet, welche direkt dem Kommandeur und Ärztlichem Direktor unterstellt ist. Hier wird lange vor der Ankunft der WeiterbildungsassistentInnen im Haus der genaue Ablauf der Weiterbildung geplant. Den Plan erhalten alle „Neuankömmlinge“ in den ersten Tagen ihrer Arbeit im BwZKrhs ausgehändigt. Dabei wird sich sowohl an den Bedürfnissen der ÄrztInnen als auch an den Bedürfnissen des Hauses orientiert. Beispielsweise wird so sichergestellt, dass in der Zentralen Interdisziplinären Notaufnahme (ZINA), die praktisch alle WeiterbildungsassistentInnen in den ersten beiden Jahren durchlaufen müssen, immer ausreichend, aber auch nicht zu viele ÄrztInnen gleichzeitig Dienst tun.

Eine hervorragende klinische Ausbildung wird durch Fachabteilungen mit einer Vielzahl verschiedener Seminare, Kurse und Ausbildungsmaßnahmen sichergestellt. Ein großzügiger Kostentitel für externe Weiterbildungen rundet dieses Angebot ab. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Ausbildung in der ZINA des BwZKrhs dar. In der Weiterbildung der AssistenzärztInnen stehen zwei Schwerpunkte im Vordergrund. Einer ist die allgemeine notfallmedizinische Ausbildung zur Erlangung der Tätigkeitsbeschreibung Rettungsmedizin, der andere umfasst die Vorbereitung auf die Tätigkeit als Truppenart. Doch die Notfallmedizin schläft nie und in einem 24/7/365 Schichtdienst gibt es buchstäblich keinen Zeitpunkt, an dem zumindest ein größerer Teil der AssistenzärztInnen für Fortbildungsmaßnahmen vor Ort zur Verfügung stünde. Es stellt sich also die Frage, wie man „gegen den Schichtdienst anlehren kann“. Um dieser Herausforderung zu begegnen hat das Fachärzteteam der ZINA über die letzten Jahre einen ­Maßnahmenkatalog entwickelt, um die traditionellen Weiterbildungsmaßnahmen mit dem Einsatz modernerer barrierearmer Angebote zu verbessern. Eine Analyse der theoretischen Inhalte und praktischen Fähigkeiten kumulierte in der Erstellung eines individuell angepassten Weiterbildungskurrikulums, in dem über sechs Monate hinweg spezifisch festgelegt ist, wann welcher Ausbildungsinhalt abgeschlossen sein sollte. Die Grundlagen befinden sich in einer Checkliste, welche den strukturierten Fortschritt vorgibt und entsprechend abgearbeitet werden soll. Dadurch erweitern sich sukzessive die Befugnisse der AssistenzärztInnen im täglichen Dienstbetrieb. Um auch hier ein Feedback System zu gewährleisten, werden Einführungs-, Zwischen- und Abschlussgespräche, die zum Teil auch freundlichen Prüfungscharakter haben, durchgeführt. Somit wird beiden Seiten die Möglichkeit gegeben, sich regelhaft auszutauschen. Einen weiteren Baustein bilden praktische Ausbildungstage z. B. in der Notfallsonographie, die sich in das Rahmengerüst des Weiterbildungskurrikulums einfügen.

Trotz dieser Bemühungen bestand weiterhin eine große Herausforderung die theoretischen Inhalte so an alle AssistenzärztInnen in der Notfallmedizin zu vermitteln, dass jeder und jedem die Möglichkeit geboten wird, den gleichen Kenntnisstand zu erlangen. Hier wurden nun neue Wege begangen. Seit nunmehr drei Jahren erfolgt unter anderem die Vermittlung der theoretischen Inhalte in der klinischen Akut- und Notfallmedizin über einen eigenen Podcast der ZINA am BwZKrhs Koblenz. Dieses zunächst noch kleine Projekt nahm im Laufe der Zeit immer mehr Fahrt auf, so dass derzeit die Folgen der Podcasts ca. 2 500 Downloads haben. So hat dieses Projekt der klinischen Akut- und Notfallmedizin am BwZKrhs Koblenz einen Bekanntheitsgrad erlangt, der sogar über das direkte Umfeld der AssistenzärztInnen der ZINA hinausgeht.

Doch über das passive konsumieren hinaus verinnerlichen sich die notwendigen Inhalte der Notfallmedizin nur, wenn dieses Wissen auch angewandt wird. Zu diesem Zweck werden die Behandlungsalgorithmen und praktischen Fähigkeiten von der Point-of-care Sonographie bis zum Lagerungsmanöver beim benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel tagtäglich in der Praxis zur Behandlung der Patienten eingesetzt. In der Analyse der Ausbildungsinhalte durch das fachärztliche Team der ZINA am BwZKrhs Koblenz konnten jedoch einige Fall- und Symptomkonstellationen identifiziert werden, die auf Grund ihrer Wichtigkeit als unabdingbare Ausbildungsinhalte definiert wurden. Diese Inhalte müssen also unabhängig von Patientenaufkommen und Zufälligkeiten der Symptomzusammensetzungen von allen bearbeitet werden. Das wurde mit dem sogenannten Case-of-the-week System adressiert. Dies sind aufgear­beitete und vorbereitete Fälle, die zum interaktiven Abarbeiten vorgesehen sind. Dafür wird zunächst die Anamnese und der Initialbefund allen Teammitgliedern über den Bundeswehr-Messenger zur Verfügung gestellt. Daraufhin werden von allen per Direktnachricht an den zuständigen Facharzt Vorschläge für die weitere Diagnostik eingereicht. Wenn diese eingegangen sind, wird der nächste diagnostische Schritt gepostet. Wiederum besteht dann die Aufgabe darin, die Behandlung zu skizzieren. Zum Abschluss wird dann die „Muster“-Lösung zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise wird über das Gesamtkonzept vom theoretischen über den praktischen Inhalt und Behandlungen im Zusammenhang wichtiger Symptompräsentationen vermittelt. Dies wird dann in der Folge in der täglichen Arbeit in der Patientenbehandlung vertieft und verstärkt.

So wurde über die letzten Jahre die Aus- und Weiterbildung in der ZINA verändert und im Rahmen eines ständigen Qualitätsprojektes überprüft und weiter verbessert. Derzeit läuft die begleitende Auswertung der verschiedenen Komponenten, um diese Maßnahmen auch wissenschaftlich zu begleiten. Das BwZKrhs bietet für alle WeiterbildungsassistentInnen ein spannendes und innovatives Umfeld mit vielfältigen Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung in praktisch allen klinischen Fächern (außer Gynäkologie und Pädiatrie). Durch die kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Thema in allen Bereichen entstehen, wie am Beispiel der ZINA gezeigt, kreative Lösungen, um die Weiterbildung ständig zu verbessern. 


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