Neuausrichtung des Schwerpunktes Veterinärmedizin am Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Kiel auf Landes- und Bündnisverteidigung

J. Nieter, C. Krohmann

Einleitung

Das Zentrale Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (ZInstSanBw) Kiel ist seit 2013 dem Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr unterstellt und nimmt umfangreiche Aufgaben im Bereich der Veterinärmedizin zum Schutz und zur Gesunderhaltung von Soldaten wahr. Durch die amtliche Überwachung von Lebensmitteln und Trinkwasser wird die gesundheitlich unbedenkliche und qualitativ hochwertige Versorgung der Soldaten im In- und Ausland sichergestellt und somit ein wichtiger Beitrag zum Gesundheits- und Verbraucherschutz geleistet. Die veterinärmedizinische Diagnostik hält hierzu ein breites Spektrum mikrobiologischer, sensorischer, histologischer, immunologischer, molekularbiologischer, serologischer und parasitologischer Untersuchungsmethoden vor, um eine möglichst umfassende Begutachtung bzw. Befundung zu ermöglichen. Zusätzlich werden Aufgaben in der amtlichen Tierseuchen- und Zoonosendiagnostik und der Aus-, Fort- und Weiterbildung des militärischen Fachpersonals wahrgenommen. Die Neuausrichtung der Bundeswehr auf Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) erforderte am ZInstSanBw Kiel die Anpassung und grundlegende Neustrukturierung der wahrzunehmenden Aufgaben. Die Verteilung der Aufgaben auf zwei eigenständige veterinärmedizinische Abteilungen am ZInstSanBw Kiel ist dabei nur ein erster Schritt und wird zukünftig in einem kontinuierlichen Prozess weiterentwickelt werden müssen.

wesentliche Aufgaben des ZInstSanBw Kiel
wesentliche Aufgaben des ZInstSanBw Kiel
Quelle: Bundeswehr/ZInstSanBw Kiel

Veterinärmedizinische Querschnittaufgaben im Wandel: Lebensmittel- und Trinkwasseruntersuchung

Auch wenn sich die rechtlichen Rahmenbedingungen der Lebensmittel- und Trinkwasseruntersuchung nicht grundlegend geändert haben, erforderte die Neuorientierung auf den Bereich LV/BV eine Prüfung der vorhandenen Fähigkeiten. Als dringend erforderlich wurde die Implementierung schnellerer Methoden bewertet, die vor dem Hintergrund von „Food Defense“ im Interesse der Lebensmittel- und Trinkwassersicherheit die Handlungsfähigkeit auch im Spannungs- oder Krisenfall erhält. Eine Neuorientierung auf den Bereich LV/BV unterstreicht die Wichtigkeit des Gesundheits- und Verbraucherschutzes, sodass sich die Anzahl der entnommenen und untersuchten Lebensmittelproben, gerade im Hinblick auf die Einsatzverpflegung, drastisch gesteigert hat. Dabei wurde die Außenstelle des ZInstSanBw Kiel verstärkt in die Aufgabenerfüllung mit eingebunden, sodass die Fähigkeiten an zwei Standorten im Einzugsgebiet ausgebracht sind und vollumfänglich abgerufen werden können. Dafür werden auch vermehrt Reservisten für die Auftragserfüllung eingesetzt. Durch eine Vielzahl von Wehrübungstagen kann der Dreiklang hohe Einsatzbereitschaft, schnelle Reaktionsfähigkeit und belastbare Durchhaltefähigkeit weiter ausgebaut werden.  

Schafe und Nährmedien für Einsatz und Übungen

Seit jeher werden am ZInstSanBw Kiel eine Vielzahl verschiedener Nährmedien selbst hergestellt. Seit Beginn des Ukrainekrieges sind am ZInstSanBw Kiel vier voll eingerichtete Containerlabore einschließlich Verbrauchsmaterial abrufbereit und damit auch die dazu nötigen Nährmedien. Das ZInstSanBw Kiel hält und betreut institutseigene Schafe zur Blutgewinnung als Grundlage für bluthaltige Nährmedien. Auch die Außenstelle in Berlin, und damit indirekt die Abteilung XXI des Bundeswehrkrankenhauses Berlin, wird seit dem letzten Jahr wieder regelmäßig mit Schafblut zur Herstellung von Blutnährmedien versorgt. Dabei wurde trotzdem die Versorgung des Veterinärmedizinischen Einsatzlabors im Mali-Einsatz und natürlich der eigene Laborbetrieb aufrecht erhalten. Im Zuge des gestiegenen Bedarfes wurde dem ZInstSanBw Kiel erlaubt, die Anzahl der gehaltenen Schafe um fast ein Drittel zu erhöhen und weiter an der Remontierung des Schafbestandes zu arbeiten. Durch den Aufbau und Erhalt einer autarken Versorgung mit Schafblut kann weiterhin auch bei auftretenden Lieferengpässen kurzfristig auf einen erhöhten Bedarf an Schafblut reagiert werden.

Diensthundebehandlung

Auch die Behandlung von Diensttieren, welche im norddeutschen Raum seit jeher im Verantwortungsbereich des ZInstSanBw Kiel liegt, soll weiter ausgebaut werden. So soll gemeinsam mit anderen Veterinärdienststellen abgestimmt mit der Klinik der Schule für Diensthunde der Bundeswehr am Aufbau zusätzlicher (mobiler) diagnostischer Fähigkeiten in der Fläche zur Verbesserung des Kompetenzerhalts der Veterinäre im Interesse der Tiergesundheit gearbeitet werden. Dazu wird zukünftig kurativ ausgebildetes Personal benötigt, um diesen Kompetenzerhalt zu ermöglichen.

Neustrukturierung

Zur Wahrnehmung der Aufgaben als Leitlabor für Fragestellungen veterinärmedizinischer Diagnostik im Einsatz und Untersuchungen im Rahmen der Tiergesundheit und Zoonosen wurde seit Oktober 2022 eine eigenständige Abteilung als besonderes Merkmal des Schwerpunktinstitutes Veterinärmedizin am ZInstSanBw Kiel aufgebaut. Ziel ist es, die Schwerpunktaufgaben zu bündeln und gleichzeitig die querschnittlich wahrzunehmenden Aufgabenbereiche zu entlasten.

Tierseuchen- und Zoonosendiagnostik als Dauerthema

Wurde zum Beginn der Coronapandemie noch ein robustes Back-up-Verfahren zur SARS-CoV-2-Diagnostik etabliert, so breitete sich seit Feststellung des ersten Falles der Afrikanischen Schweinepest (ASP) bei einem Wildschwein im September 2020 die ASP trotz intensiver Bekämpfungsmaßnahmen entlang der deutsch-polnischen Grenze immer weiter aus. Auch die Bundeswehr war mit mehreren Liegenschaften und Übungsplätzen betroffen. Der Übungsbetrieb musste daraufhin mehrere Monate eingestellt werden, um eine Verschleppung des sehr widerstandsfähigen Virus zu vermeiden. Die diagnostischen Routinen wurden komplett auf die Diagnostik der ASP im Rahmen des noch laufenden Ausbruchsgeschehens konzentriert. Seit gut eineinhalb Jahren hat sich zudem ein ganzjähriges Seuchengeschehen bei der Geflügelpest in Deutschland etabliert, die mittlerweile als endemisch einzustufen ist, deren Nachweis bzw. Ausschluss ebenfalls zentral durchgeführt wird. 

Da der er Impfgürtel gegen die Terrestrische Tollwut an der polnischen Ostgrenze 2021 durchbrochen wurde, wurden bereits etablierte diagnostischen Verfahren geprüft und aktualisiert (RT-PCR, Viruskultur). 

Weiterentwicklung einsatzrelevanter Methoden

Aufgrund der wahrzunehmenden Aufgaben im Bereich des Veterinärwesens ist eine Weiterentwicklung der Untersuchungsmethoden im Inland aber auch einsatztauglicher Nachweisverfahren auf veterinärmedizinisch relevante Infektionserreger zwingend erforderlich. Schnellere und robuste Methoden sollen von mobilen Laboren MSE VML (Laborcontainer) durchgeführt werden. Der Austausch zwischen Leitlabor und anderen Laboren, auch mit dem Gedanken dies auf die internationale Ebene (NATO) auszuweiten, soll künftig weiter vertieft werden.  

Aus veterinärmedizinischer Sicht waren die letzten Jahre durch viele Ausbrüche in jeglicher Hinsicht sehr lehrreich. Die Risikofaktoren für die Verbreitung (Ein- und Verschleppungsrisiken) von Tierseuchen und Zoonosen, aber auch für lebensmittel- und trinkwasserübertragbare Erreger wurden nicht zuletzt auch durch den Klimawandel beeinflusst. Mit Hilfe epidemiologischer Methoden kann eine verbesserte Risikobewertung von Infektionsgeschehen bis hin zu Ausbrüchen erfolgen und einen wichtigen Beitrag bei der Bekämpfung leisten.  

Ausbildung und Vorhalten für den Einsatz

Verschiedene einsatzrelevante Lehrgänge werden für Ausbildung und Kompetenzerhalt des veterinärmedizinischen Fachpersonals durchgeführt. Bei dem Training „Einweisung in veterinärmedizinische Laboruntersuchungen im Auslandseinsatz“ handelt es sich um einen Pflichtlehrgang für die Auslandsvorbereitung aller Sanitätsoffiziere Veterinär und Feldwebel im Sanitätsdienst als Veterinärmedizinisch-technische Assistenten. Der Lehrgang vermittelt im Schwerpunkt die praktische Umsetzung der Untersuchungstechniken für die Wahrnehmung der tierärztlichen Aufgaben im veterinärmedizinischen Labor bei Auslandseinsätzen. Im Rahmen der Einsatzvorbereitung wird im Ausbildungsgang „Veterinärmedizinische molekulare Diagnostik im Einsatz“ die Kompetenz zur Durchführung molekularer Nachweismethoden für unterschiedliche Probenmatrices und verschiedene Infektionserreger (z. B. Norovirus, Tollwut, Legionellen, Coxiellen, Brucellen, Salmonellen, Campylobacter und STEC) sowie die Auswertung der Ergebnisse und deren Beurteilung vermittelt. Im Training „Site Survey Veterinärmedizin und Hygiene“ lernen die Teilnehmer das methodische Vorgehen bei der Durchführung von Erkundungen im In- und Ausland zur Vorbereitung von Einsätzen und Übungen. Dabei wird eine fiktive Lage ausgearbeitet und die Ergebnisse mittels eines Lagevortrags präsentiert. Am Lehrgang können Sanitätsoffiziere Veterinär und Apotheker sowie Sanitätsfeldwebel Gesundheitsaufseher teilnehmen. Die approbationsübergreifende Zusammenarbeit wird dadurch intensiviert.  

One Health Konzept: Gelebte Philosophie seit Jahren und trotzdem Nachholbedarf?!

In den letzten Jahren hat sich die Bedeutung von Tierseuchen und Zoonosen aber auch die Schwerpunkte im Gesundheits- und Verbraucherschutz deutlich gewandelt: Infektionskrankheiten wie COVID-19, die ASP, die aviäre Influenza, EHEC, Listeriose oder auch die Tollwut beeinträchtigen die menschliche Gesundheit direkt, aber auch die globale Wirtschaft und damit Gesellschaften insgesamt. Eingedenk der grundlegenden Veränderungen, denen auch die Bundeswehr zukünftig unterworfen sein dürfte, ist die approbationsübergreifende Wahrnehmung der anstehenden Aufgaben unter Nutzung der fachlichen Expertise spezialisierter Dienststellen von größter Bedeutung. 



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