Überlebensfähigkeit von Campylobacter in Lebensmitteln; Eignung einer PCR-Methode für die Routinediagnostik

Bei rohen und roh tiefgefrorenen Geflügelfleisch-Produkten ist mit einer hohen Kontaminationsrate durch C. jejuni zu rechnen. Es besteht ein erhebliches Infektionsrisiko mit C. jejuni durch Kreuzkontamination bei der Herstellung verzehrfertiger Speisen während des Küchenbetriebs bei der Behandlung und Verarbeitung von rohem Geflügel. Alle Hygienemaßnahmen, die zur Unterbrechung der Salmonelleninfektionskette greifen, gelten im gleichen Maße auch für thermophilo Campylobacter. Durch den Einsatz molekularbiologischer Methoden können die Zusammenhänge zwischen Campylobacter-Nachweisen aus Lebensmitteln tierischen Ursprungs und von Patienten im Rahmen lebensmittelbedingter Erkrankungen im Gegensatz zu kulturellen Methoden in relativ kurzer Zeit screeningartig untersucht werden. Die Etablierung molekularbiologischer Untersuchungsverfahren in den Untersuchungseinrichtungen der Bundeswehr stellt einen wesentlichen Schritt in Richtung Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz für die Soldaten der Bundeswehr dar.

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Durch Campylobacter verursachte Erkrankungen gewinnen weltweit immer mehr an Bedeutung. Die Empfindlichkeit des Erregers gegenüber Umwelteinflüssen erschwert den Nachweis im Lebensmittel und damit die epidemiologische Aufklärung lebensmittelbedingter Erkrankungen sowie die Rückverfolgung zum Ausgangspunkt der Kontamination. Ziel dieser Arbeit war es, die Überlebensfähigkeit von C. jejuni auf artifiziell kontaminierten Lebensmitteln in Abhängigkeit von der Temperatur und den Lagerungsbedingungen und gleichzeitig die Eignung einer PCR-Methode im Vergleich zur klassischen bakteriologischen Methoden zu prüfen.

Epidemiologie und Pathogenese

Campylobacter (C.) sind kleine, schlanke, spiralig oder s-förmig gebogene und begeißelte gramnegative Stäbchen, die weltweit verbreitet sind. Sie sind als „Emerging Pathogens“ zu betrachten (KIST, 2002).

Die fehlende Vermehrungsfähigkeit in der Umwelt und auf Lebensmitteln kompensiert der Erreger durch eine weite Verbreitung in der Natur und die massive Vermehrung im lebenden Organismus (Geflügel, Rind und Schwein). Der Mensch infiziert sich meist indirekt über unzureichend erhitzte (z.B. Geflügelfleisch, Geflügelleber) oder roh verzehrte Lebensmittel (z.B. rohe Milch, Fondue Chinoise). Dabei spielen Kreuzkontaminationen bei der küchentechnischen Zubereitung von frischem oder tiefgefrorenem Schlachtgeflügel, Geflügelprodukten und Schweinefleisch oder kontaminiertes Trink- oder Oberflächenwasser (z.B. Badeseen) eine erhebliche Rolle. Zusätzlich kommen direkte Kontakte des Menschen zu erkrankten Tieren (v. a. Hunde) in Frage. C. jejuni und C. coli nehmen als Verursacher gastrointestinaler Erkrankungen ständig an Bedeutung zu. Die Zahl der Campylobacteriosen übertrifft in vielen Ländern bereits die der Salmonellen- und Shigellen-assoziierten Fälle.

Vornehmlich treten Erkrankungen bei Kindern unter fünf Jahren und bei jungen Erwachsenen im Alter von 15-29 Jahren auf. Die jährliche Inzidensrate weist jahreszeitliche und regional bedingte Unterschiede auf und liegt im Bundesdurchschnitt bei 16 Fällen pro 100.000 Einwohner. Die dosis infectiosa minima beim Menschen beträgt 500 Keime. Nach oraler Aufnahme und einer zwei bis siebentägigen Inkubationszeit manifestiert sich die Erkrankung in einer unspezifischen prodromalen Phase mit Fieber, Kopfschmerzen, Myalgien, Arthralgien, Müdigkeit und Unwohlsein als akute Enteritis/ Enterocolitis, der dann eine wässrige bis blutige Diarrhöe mit abdominalen Schmerzen folgt. Spontanheilung erfolgt meist nach kurzem, komplikationslosem Verlauf. Bei 10 bis 20 % der Patienten treten jedoch länger andauernde Beschwerden auf, und in 5 bis 10% kommt es zu Rückfällen. Neben der Enteritis kommen auch durch Campylobacter verursachte extraintestinale Erkrankungen, wie Bakteriämie, Endokarditis, Meningitis, Pankreatitis, septischer Abort und die neonatale Sepsis vor. Bei den postinfektiösen Komplikationen spielt das Guillain- Barré-Syndrom die wichtigste Rolle. Bleiben die Patienten unbehandelt, scheiden sie den Erreger noch zwei bis drei Wochen nach der Erkrankung aus. Anhand des klinischen Bildes der Campylobacteriose ist keine Unterscheidung zu Salmonellose und Yersiniose möglich. Die Diagnosesicherung ist nur anhand des Erregernachweises möglich.

Material und Methoden

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700 Proben Putenfleisch wurden artifiziell mit 103 KbE C. jejuni pro Probe durch Aufstreichen auf die Oberfläche kontaminiert, bei unterschiedlichen Kühl- und Tiefkühlbedingungen sowie Lagerungszeiträumen zwischen zwei Tagen und vier Wochen gelagert und sowohl mit der kulturellen Methode als auch mit der RFLP-PCR untersucht. Zudem wurde eine kurzeitige Unterbrechung der Tiefkühlkette auf 0 °C simuliert. Als Anhalt für die verwendeten Temperaturbereiche wurden durchschnittliche Lagertemperaturen und Zeiten beim Endverbraucher im zivilen Bereich angenommen.10 g des kontaminierten Putenfleischs wurden in 100 ml Preston-Anreicherungsbouillon für 48h bei 42°C unter mikroaerophilen Bedingungen (5 % Sauerstoff und 10 % Kohlendioxid) bebrütet. Im Anschluss an die Anreicherung wurde je 0,1 ml der Bouillon auf die Selektivnährmedien CCDA und Karmali ausgestrichen und nochmals unter den gleichen Bedingungen 48 h bei 42°C inkubiert. Campylobacter-verdächtige Einzelkolonien wurden folgendermaßen typisiert:

a) Beweglichkeit: charakteristische lebhafte (gegen den Strom), teilweise spiralförmige drehende Bewegung der Bakterien im Phasenkontrastmikroskop
b) Gram-Färbung: gramnegative, dünne, gebogene Stäbchen
c) Oxidase und Katalase positiv

Mit Hilfe des api Campy® System (bio Mérieux) erfolgte die weitergehende biochemische Identifizierung verdächtiger Isolate mittels analytischen Profil-Index. Weiterhin wurde aus der Preston-Anreicherungsbouillon Bakterien-DNA isoliert und mit der RFLP-PCR (Restriction Fragment Length Polymorphism- PCR) nach WEGMÜLLER et al. (1993) untersucht. Bei diesem Verfahren wurde ein semi-nested- System im Bereich der flaA und flaB Gene verwendet.

Ergebnis

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Die Reisolierungsraten von Campylobacter aus den kontaminierten Proben mittels kultureller und RFLP-PCR-Methode werden in Tab. 1 vergleichend dargestellt. Mit Hilfe der RFLP-PCR konnten dabei deutlich höhere Nachweisraten erzielt werden als mit der kulturellen Methode. Aus 100 nicht gespikten Kontrollproben wurden keine Keime der Spezies Campylobacter isoliert.

Diskussion

Die Untersuchungszeiten und der Materialaufwand zum kulturellen Nachweis von Campylobacter sind im Verhältnis zu den Verfahren zum Nachweis anderer Lebensmittelinfektions- und Intoxikationserregern vergleichsweise hoch. Diese langen Untersuchungszeiträume von annähernd zwei Wochen führen bei der Routineuntersuchung und besonders bei Untersuchungen in Verbindung mit lebensmittelbedingten Gruppenerkrankungen zu erheblichen Problemen bei der epidemiologischen Aufklärung. Die PCR bietet dagegen eine Möglichkeit zum schnellen und verlässlichen Nachweis von Campylobacter spp. innerhalb von nur drei bis vier Tagen. Dabei wurden mittels PCR durchweg höhere Nachweisraten als mit dem kulturellen Verfahren erreicht. Eine Erklärung für den höheren Nachweis mittels PCR kann neben der höheren Sensitivität der PCR der Nachweis von Keime in der „viable but non culturable“ (VBNC)-Phase sein, die von den kulturellen Methoden nicht erfasst werden können. In dieser VBNC-Phase sind Campylobacter aber metabolisch aktiv und stellen somit ein potentielles Infektionsrisiko dar.
Es ist jedoch zu beachten, dass diese Methoden ausschließlich eine Identifizierung von Campylobacter auf Genussebene ermöglichen. Eine exakte Unterscheidung zwischen C. jejuni, C. coli und anderen Spezies ist auf diesem Weg nicht möglich. Darum stellt die PCR-Methode zum jetzigen Zeitpunkt lediglich eine Screeningmethode zum Nachweis von Campylobacter spp. in der Lebensmittelprobe dar. Nach einer Lagerung der gespikten Proben bei 22-25°C über 48 Stunden waren nur in 7% der Proben C. jejuni reisolierbar. Andere Autoren konnten in Lebensmitteln bis zu drei Tagen, in Milch bis 14 Tage Campylobacter nachweisen. Bei Lagerung unter „Kühlschrankbedingungen“ bei 4°C konnten nach einer Woche kulturell aus 42 % der Proben, nach zwei Wochen immerhin noch aus 28 % und mit der RFLP-PCR sogar aus 45 % der Proben C. jejuni reisoliert werden. Die kulturelle Reisolierung gelang somit über einen deutlich längeren Zeitraum als bislang in der Literatur beschrieben. Einige Autoren berichten von Überlebenszeiten in gekühlten Fleischprodukten von bis zu sieben Tagen. Nur in Milch konnten Campylobacter noch nach 168 Tagen nachgewiesen werden.
Von tiefgefrorenem Geflügelfleisch geht nach Berichten verschiedener Autoren ein ähnlich hohes Infektionsrisiko wie von frisch geschlachtetem Geflügel aus. Die eigenen Untersuchungen bestätigen diese Ergebnisse, da von den 2 Wochen bei -20°C gelagerten Proben doppelt so viele Campylobacter positiv waren wie von den bei 4°C gelagerten. Selbst nach 4 Wochen war noch in einem erheblichen Anteil der Proben infektionsfähige Campylobacter nachweisbar.
Um den Einfluss der Unterbrechung der Tiefkühlkette auf die Überlebensfähigkeit von Campylobacter zu untersuchen, wurden verschiedene Lagerungsbedingungen simuliert. Durch das zwischenzeitliche Auftauen auf 0°C und der damit verbundenen Wasserfreisetzung kommt es zu einer Reaktivierung der Keime auf der Fleischoberfläche. Durch den nachfolgenden erneuten Tiefgefrierprozess kann eine wiederholte Austrocknung der Oberfläche der Fleischstücke um ca. 0,5 cm erfolgen und damit zu einer weiteren Reduzierung der Keimzahl führen, was eine mögliche Erklärung für die reduzierte Wiederfindungsrate der zwischenzeitlich aufgetauten Proben zu den kontinuierlich tiefgefrorenen Proben darstellt. Für den Bereich der Bundeswehr ist das Wiedereinfrieren von Lebensmitteln gemäß der ZDv 46/28 verboten. Die Unterbrechung der Kühlkette simuliert lediglich Erfahrungswerte aus dem zivilen Bereich. Dies bestätigen ebenfalls Studien von HUDSON und ROBERTS (1982).

Datum: 01.01.2006

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2006/1

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