28.02.2017 •

Klaustrophobiediagnostik mit Hilfe von psychophysiologischen -Messmethoden und Engeexposition

Aus dem Schifffahrtmedizinischen Institut der Marine, Kronshagen (Leiter: Flottenarzt Dr. S. Neidhardt)

Marco M. Nitzschner, Saskia Vetter, Stefan Röttger

WMM, 60. Jahrgang (Ausgabe 2/2016; S. 77-80)

Zusammenfassung

Der Einsatz in räumlicher Enge an Bord von Kriegsschiffen schließt die Borddienstverwendungsfähigkeit beim Vorliegen einer Phobie – insbesondere einer Klaustrophobie – aus. Die Abklärung einer phobischen Störung erfolgt dabei im Regelfall mittels Explorationsgesprächen und standardisierten Testverfahren. Unter Umständen ist es jedoch sinnvoll, auf psychophysiologische Messverfahren als zusätzliche Informationsquelle zurückzugreifen.

Dies kann etwa der Fall sein, wenn bewusste oder unbewusste Verfälschungstendenzen anzunehmen sind oder aber die Stärke der fraglichen Angstreaktion beziehungsweise der angstauslösende Stimulus mit den herkömmlichen Verfahren nicht erfasst werden können. Dabei macht man sich psychophysiologische Korrelate, wie zum Beispiel die Herzaktivität, einer phobischen Reaktion zu Nutze. Die am Schifffahrtmedizinischen Institut der Marine eingesetzte diagnostische Methode und die ihr zugrundeliegenden psychophysiologischen Zusammenhänge werden im folgenden Artikel vorgestellt.

Schlüsselworte: Klaustrophobie, Diagnostik, psychophysische Testverfahren, Marine

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Abb. 1: Blick in die Ein-Personen-Druckkammer des SchiffMedInstM

Keywords: claustrophobia, diagnostics, psycho-physiological examination, navy

Einführung

Physiologische Aktivierung ist ein Hauptsymptom der Angst; dennoch ist die Verwendung physiologischer Messungen in der psychologischen und psychiatrischen Diagnostik von Angststörungen noch immer die Ausnahme [1]. Gründe hierfür sind einerseits der durch die psychophysiologische Diagnostik entstehende höhere Aufwand für Beschaffung und Betrieb von Testgeräten, Durchführung der Untersuchung und Ausbildung der Untersucher. Andererseits kann die Diagnose einer Angststörung in vielen Fällen mit hinreichender Zuverlässigkeit bereits aufgrund der Selbstauskunft der Patienten gestellt werden.

Es gibt jedoch auch Fälle, bei denen eine genaue Eingrenzung des angstauslösenden Stimulus in der Exploration nicht möglich ist oder es fraglich bleibt, ob Ausmaß und Qualität der erlebten Reaktionen die Kriterien einer Angststörung erfüllen. Insbesondere im Rahmen von Begutachtungen ist mit unbewussten und bewussten Verfälschungstendenzen zu rechnen. In diesen Fällen kann die Erhebung psychophysiologischer Reaktionen auf eine kontrollierte Exposition mit phobischen Stimuli wertvolle diagnostische Informationen liefern.

Ein typischer Anwendungsfall psychophysiologischer Dia-gnos-tik von Angststörungen im Bereich der Schifffahrtpsychologie und maritimen Medizin ist die Abklärung eines Verdachts auf Klaustrophobie. Ein solcher Verdacht kann entstehen, wenn sich Soldaten, die erstmals an Bord von Über- oder Unterwasserfahrzeugen eingesetzt werden, mit Symptomen von starker Unruhe, Unwohlsein oder Angsterleben im Schiffslazarett oder der Sanitätseinrichtung ihres Geschwaders vorstellen. Häufig wird der Aufenthalt an Bord als Auslöser für diese Beschwerden erlebt. Neben der räumlichen Enge an Bord sind jedoch auch andere Ursachen für diese Beschwerden zu bedenken. In der militärischen Seefahrt existieren eine Reihe weiterer Belastungsfaktoren, die solche Beschwerden auslösen oder zu einer Aggravation der durch Enge ausgelösten Beschwerden führen können. Daher kann in diesem Rahmen die Diagnose einer Klaustrophobie unter differentialdiagnostischen Aspekten nur durch die zusätzliche Auswertung psychophysiologischer Daten unter Engeexposition gestellt und gesichert werden.

Um eine möglichst exakte Diagnostik zu gewährleisten und folglich die schnelle und umfassende Wiederherstellung der psychischen Fitness des betreffenden Soldaten zu ermöglichen, werden im Fachgebiet „Medizinische Ergonomie und Schifffahrtpsychologie“ des Schifffahrtmedizinischen Instituts der Marine (SchiffMedInstM) Exploration und psychologische Testverfahren mit der Auswertung psychophysiologischer Reaktionen bei Engeexposition gemeinsam zur Klaustrophobiedia-gnostik eingesetzt. Im Folgenden soll ein Überblick über die verwendeten psychophysiologischen Verfahren sowie die Psychophysiologie der Angstreaktion gegeben werden.

Klaustrophobiediagnostik am Schifffahrt-medizinischen Institut der Marine

Neben der Exploration und der Einholung von Fremdauskünften (zum Beispiel Stellungnahme des Disziplinarvorgesetzten oder des Schiffsarztes) sowie dem Einsatz von psychologischen Testverfahren werden Patienten mit phobischen Stimuli konfrontiert. Dabei ist der Ablauf der Klaustrophobieprovokation in zwei Teile gegliedert: Zuerst werden Bilder klaustrophobischer Situationen dargeboten, danach erfolgt die Engeexposi-tion in einer Ein-Personen-Druckkammer. Während dieser zwei Expositionsphasen werden psychophysiologische Messwerte erhoben. Abbildung 1 zeigt einen Patienten in der Ein-Personen-Druckkammer des SchiffMedInstM.

Vor Beginn der Untersuchung werden die Patienten über den Ablauf der Untersuchung informiert und an das psychophysiologische Messsystem (Nexus-10™, Mindmedia™ B.V.) angeschlossen. Ein Screenshot des Nexus-Ergebnis-Bildschirmes ist in Abbildung 2 dargestellt.

Die Datenaufzeichnung beginnt mit einer Baseline-Messung, bei der die Patienten, entspannt in einem Sessel sitzend, ein neutral-angenehmes Bild betrachten (zum Beispiel eine Berglandschaft). Es folgt anschließend die Präsentation mehrerer Bilder potenziell klaustrophobischer Situationen (wie eine Person beim Einsteigen in ein enges Schiffsluk) und hiernach eine erneute Erhebung der Baseline. Die eigentliche Engeexposition erfolgt abgestuft in mehreren Schritten. Zunächst legen sich die Patienten auf eine Trage, die sich, abgesehen vom Bereich der Füße, noch außerhalb der Druckkammer befindet. Die Patienten werden fünf Minuten in dieser Position belassen und dabei die psychophysiologischen Parameter erhoben. Im zweiten Schritt werden die Patienten in die Kammer geschoben und die Reaktionen erneut fünf Minuten lang aufgezeichnet. Die letzte Phase der Engeexposition wird bei geschlossener Druckkammer durchgeführt. Nachdem die Patienten für fünf Minuten eingeschlossen waren, werden sie aus der Kammer gezogen und eine abschließende Baseline-Messung durchgeführt. Der Patient hat jederzeit die Möglichkeit, mit den Untersuchungsleitern zu kommunizieren. Wichtig ist die Anwesenheit eines Psychologen während des gesamten Ablaufs, der sowohl auf äußerliche Anzeichen einer phobischen Reaktion achtet als auch den Versuch gegebenenfalls abbrechen kann. Ein Versuchsabbruch seitens des Patienten ist ebenfalls jederzeit möglich, worauf dieser ausdrücklich hingewiesen wird. Die Bitte, die Untersuchung abzubrechen, darf nicht per se als Hinweis auf eine bestehende Klaustrophobie gewertet werden. Verschiedenste Faktoren, wie agoraphobische Tendenzen, Aggravation oder gar Simulation, können ebenfalls zu diesem Wunsch führen. Auch aus diesem  Grunde ist eine sorgfältige Verhaltensbeobachtung während der Exposition unerlässlich.

Psychophysiologische Korrelate der phobischen Reaktion

Die Klaustrophobie ist eine der spezifischen Phobien. Die sogenannte spezifische Phobie definiert sich durch eine „… ausgeprägte, anhaltende Angst, die übertrieben oder unbegründet ist und die durch das Vorhandensein oder die Erwartung eines spezifischen Objekts oder einer spezifischen Situation ausgelöst wird“ [2]. In diesen Situationen können verschiedene Angstsymptome auftreten: beispielsweise Herzklopfen, erhöhte Herzfrequenz oder Palpitationen, Schweißausbrüche, Tremor, Mundtrockenheit, Atembeschwerden, Beklemmungsgefühl, Thoraxschmerzen, Übelkeit, Gefühl von Schwindel und Hitzewallungen [3].

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Abb. 2: Screenshot des Nexus-Ergebnis-Bildschirmes; zu sehen sind (von oben nach unten) Muskelaktivität, Hautleitfähigkeit, Atmung sowie Herzfrequenz.

Wird eine phobische Person mit dem phobischen Stimulus konfrontiert, ruft dieser eine unmittelbare Angstreaktion hervor, die das Erscheinungsbild einer Panikattacke annehmen kann. Die phobische Angstreaktion wird dabei auf der Basis einiger weniger Stimulusmerkmale deutlich vor dem Abschluss der zerebralen Prozesse zur Objekterkennung und somit vor der bewussten Wahrnehmung des phobischen Stimulus ausgelöst [4, 5]. Daher kann bei phobischen Patienten auch ein dem phobischen Stimulus lediglich ähnelnder Reiz in eine Panikattacke münden. Dieser Erkennungsmechanismus wird auch als der „niedere Weg“ bezeichnet [6]: Informationen über äußere Reize werden durch den Thalamus aufgenommen und direkt an die Amygdala weitergeleitet. Dieser „niedere Weg“ erlaubt eine sehr schnelle Übertragung und damit auch ein schnelles Reagieren auf möglicherweise gefährliche Situationen. Die Information wird allerdings nicht kortikal verarbeitet und ist damit ungenau. Der „hohe Weg“ verläuft in Bahnen über den Kortex hin zur Amygdala und liefert damit eine genauere Information über den äußeren Reiz.

Zerebral ist die Amygdala also Ausgangspunkt der phobischen Reaktion, die bei Detektion eines phobischen Stimulus den Hypothalamus und weitere Teile des zentralen autonomen Netzwerks zur Erhöhung sympathischer und Verringerung parasympathischer Aktivität veranlasst [7]. Dies geschieht parallel auf neuronalem und hormonalem Wege: Die Hypophyse schüttet Releasing-Hormone aus, die eine Kaskade weiterer Hormon-ausschüttungen bis hin zur Freisetzung von Adrenalin und Nor-adrenalin aus der Nebenniere in Gang setzen. Parallel finden eine Enthemmung sympathoexzitatorischer Neurone und eine Hemmung vagaler Anteile des zentralen autonomen Netzwerks statt. Der dadurch stark erhöhte Sympathikotonus führt zu den im DSM IV[1] und ICD-10[2] genannten körperlichen Symptomen der phobischen Reaktion, wie Schwitzen, Herzklopfen, Palpitationen, Zittern, Kurzatmigkeit oder Erstickungsgefühle.

Die meisten physiologischen Korrelate einer Angstreaktion sind einer kontinuierlichen, non-invasiven Messung zugänglich. Mehrere Studien zeigten, dass man mittels psychophysiologischer Messungen zwischen Phobikern und Nicht-Phobikern unterscheiden kann [8]. Da sich die konkreten physiologischen Reaktionsmuster interindividuell unterscheiden können [9], wird in der Literatur eine Kombination mehrerer Parameter zur Messung von Angstreaktionen empfohlen [10]. Einen zusammenfassenden Überblick zur Psychophysiologie der Emotionen bieten FAHRENBERG und WILHELM [11].

Zur Klaustrophobiediagnsotik am SchiffMedInstM werden die Herzaktivität, die Atmung, die Aktivität der mimischen Muskulatur sowie die elektrodermale Aktivität gemessen. Diese Parameter und ihr Verhalten beim Auftreten von Angstreaktionen werden im Folgenden näher vorgestellt.

Herzaktivität
Zur Untersuchung der Herzaktivität bei phobischen Reaktionen wird am SchiffMedInstM die Herzfrequenz verwendet. Einige Autoren präferieren die Herzperiode. Diese gibt an, wie viele Millisekunden zwischen zwei aufeinanderfolgenden Herzschlägen verstreichen. Zwar sind Herzperiode und Herzfrequenz rechnerisch direkt ineinander überführbar (Herzfrequenz = 6 000 / Herzperiode). Im Unterschied zur Herzfrequenz weist die Herzperiode aber ein relativ enges lineares Verhältnis zur parasympathischen und sympathischen Aktivität des autonomen Nervensystems auf [12]. AUE, HOEPPLI und PIGUET [13] zeigten jedoch, dass auch die Herzfrequenz gut geeignet ist, um zwischen phobischer und nicht-phobischer Angst unterscheiden zu können. Darüber hinaus konnten in ihrer Untersuchung sogar unterschiedliche Level der phobischen Angst mittels Herzfrequenz unterschieden werden.

Bei der Interpretation der Herzaktivität ist aufgrund der respiratorischen Sinusarrhythmie auch das Atemverhalten zu beachten: Die Herzperiode wird mit dem Ausatmen länger und mit dem Einatmen kürzer. Verlängerte Exspirationsphasen, wie etwa beim Sprechen oder bei bewusst tieferem Ausatmen zur Bewältigung eines Angstzustandes, können damit eine Dämpfung der Herzaktivität bewirken.

Atmung
Phobische Reaktionen sind mit einer Erhöhung der Atemfrequenz verbunden, die sich über Kurzatmigkeit bis hin zur Hyperventilation steigern und subjektiv mit Erstickungsgefühlen verbunden sein kann.

Da Atmung sowohl unwillkürlich ablaufen als auch willentlich beeinflusst werden kann, soll die Erfassung des Atemverhaltens möglichst wenig intrusiv, das heißt unbemerkt vom Patienten erfolgen. Daher findet für diese Messung anstelle von spirometrischen Methoden ein Atemgurt Verwendung, der durch seine Dehnung oder Entspannung das Weiten und Verengen des Oberkörpers beim Atmen erfasst. Um sowohl Brust- als auch Bauchatmung aufzeichnen zu können, wird der Gurt auf Höhe des Zwerchfells angelegt. Neben erhöhter und unregelmäßigerer Atemfrequenz findet eine stärkere Dilatation des Oberkörpers Verwendung als Indikator bei phobischen Reaktionen beziehungsweise Panikattacken. AUE et al. [13] zeigten in ihrer Studie, dass sowohl die durchschnittliche Atemfrequenz als auch die maximale Atemamplitude zur Diskriminierung zwischen phobischen und nicht-phobischen Stimuli geeignet ist.

Muskelaktivität
Die Methode der Elektromyographie (EMG) misst die Muskel-aktivitäten einer Person. Diese Messung wird allerdings nicht direkt, sondern indirekt über die elektrische Aktivität der Muskeln vollzogen. Negative emotionale Reaktionen lassen sich gut im Gesichtsbereich ablesen [14, 15] und können relativ schwer unterdrückt werden, wenn diese in Folge phobischer Reize auftreten. Ein guter Indikator für phobische Reaktionen ist die Dauer der Aktivität des M. Corrugator Supercilii (sogenannter „Stirnrunzler“). Dieser Muskel reagiert generell schnell (innerhalb von 100 ms) mit einer erhöhten Muskelaktivität auf die Darbietung eines neuen Stimulus [16]. Die Aktivität flacht jedoch bei nicht-phobischen Reaktionen schneller wieder ab als bei phobischen Reaktionen. Auch AUE et al. [13] zeigten, dass ein EMG, welches über der Augenbraue abgeleitet wird, eine Diskriminierung zwischen phobischen und nicht-phobischen Stimuli erlaubt.

Von allen psychophysiologischen Dimensionen ist das EMG am anfälligsten für Störeinflüsse aus dem sozialen Kontext, beispielsweise die Art der Instruktion [17] oder die Präsenz anderer Personen [18]. Besonderes Augenmerk in der Durchführung der Messung liegt daher auf möglichst standardisierten Instruktionen und einer neutralen Haltung des Testleiters.

Elektrodermale Aktivität
Die elektrodermale Aktivität ist ein Phänomen, bei dem der Leitungswiderstand der Haut fluktuiert. Sie steht im Zusammenhang mit der Funktion der Schweißdrüsen und korreliert mit Hautfeuchte und Hauttemperatur. Typisch für die Ausprägung der Hautleitfähigkeit ist die sukzessive Abnahme beim Menschen in Ruhe, ein Anstieg, wenn neue Reize auftreten (skin conductance response; SCR), und eine erneute Abnahme, wenn der immer gleiche Stimulus wiederholt dargeboten wird [19].

Die Hautleitfähigkeit erhöht sich bei der Präsentation phobisch relevanter Stimuli in der Regel deutlich. Der langsame Anstieg der Hautleitfähigkeit insgesamt sowie das Auftreten starker SCR sind Folge der Erhöhung des sympathischen Tonus. Darüber hinaus zeigt die Hautleitfähigkeit mehrmals pro Minute auch spontane Aktivitäten ohne ersichtlichen Grund (non--specific skin conductance response; NS-SCR) [19]. Sie gilt es, von spezifischen Reaktionen zu unterscheiden. Daher ist der Vergleich der Hautleitfähigkeitsreaktionen auf mutmaßlich phobische Stimuli mit den Daten aus einer Baseline-Messung ohne phobische Stimuli erforderlich.

Schlussfolgerungen

Am SchiffMedInstM werden zur Klaustrophobiediagnostik unter anderem psychophysiologische Messwerte während Exposition in sensu und in vivo erhoben. Es ist jedoch zu beachten, dass die psychophysiologischen Ergebnisse lediglich eine von zahlreichen diagnostischen Quellen darstellen (multimodale Diagnostik). Sie liefern aber, vor allem in Hinblick auf die Beschwerdevalidierung, zusätzliche wertvolle Informationen. Obgleich die Verwendung psychophysiologscher Messmethoden einen nicht unerheblichen personellen und zeitlichen Aufwand mit sich bringt, sollten diese zur Erhärtung phobischer Verdachtsdiagnosen in die psychologische Praxis verstärkt Eingang finden. Auch wenn die einzelnen Zusammenhänge komplexer Natur sind, so können die Ergebnisse doch zu relativ zuverlässigen Schlussfolgerungen führen, die den Eindruck aus der psychologischen Exploration untermauern können. In letzter Folge profitieren alle Beteiligten: Diagnostikern wird ein weiteres zuverlässiges Messinstrument zur Seite gestellt, und Patienten erhalten eine verlässliche Diagnose, die gegebenenfalls eine passende Behandlung und somit eine baldige Besserung ermöglicht.

Kernaussagen

  • Das Vorliegen einer Phobie, insbesondere einer Klaustrophobie, schließt die Borddienstverwendungsfähigkeit aus.
  • Neben der räumlichen Enge an Bord kommen in der militärischen Seefahrt eine Reihe weiterer Belastungsfaktoren als Ursache für psychische Beschwerden in Betracht.
  • Die Abklärung von Klaustrophobien findet daher im Fachgebiet „Medizinische Ergonomie und Schifffahrtpsychologie“ des Schifffahrtmedizinischen Instituts der Marine statt.
  • Hierzu werden psychologische Testverfahren mit der Auswertung psychophysiologischer Reaktionen bei Engeexposition kombiniert eingesetzt.
  • Die Verwendung psychophysiologischer Parameter in Kombination mit Engeexposition liefert vor allem in Hinblick auf die Beschwerdevalidierung zusätzliche wertvolle Informa-tionen, die in letzter Instanz sowohl Diagnostikern als auch Patienten nutzen.

Literatur

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  • Dilling H, Freyberger HJ (Hrsg.): Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. Bern: Huber 2012; 160-161.
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[1]
DSM IV = Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der American Psychiatric Association

 

[2] ICD-10 = International Classification of Diseases, 10. Revision

 

 

Datum: 28.02.2017

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2016/2

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