Die medizinische Versorgung der Deutschen Militärmission in Vorderasien 1914 - 1918

Medical support of the German military mission in Near East 1914 - 1918

G. Machalett und E.-J. Finke

Zusammenfassung

Im Ersten Weltkrieg war die Front in Vorderasien nur ein Nebenkriegsschauplatz. Deshalb sind Angaben zur sanitätsdienstlichen Versorgung der deutschen Militärkontingente, bestehend aus der Mittelmeer-Division (MMD) und deutsch-österreichischen Heeresverbänden, mit zuletzt
25 000 Soldaten rar.

Zu Beginn der Kampfhandlungen waren die osmanische Armee und deren Sanitätsdienst den Anforderungen eines modernen Maschinenwaffenkrieges noch nicht gewachsen. Daher musste der deutsche Sanitätsdienst, der vor allem durch die MMD gestellt wurde, bereits 1915 die Verwundeten und Kranken der eigenen Truppen sowie der osmanischen Streitkräfte versorgen und später auch die seuchenhygienische Versorgung gewährleisten. 

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Abb. 4: Deutsches Sanitätspersonal beim Transport Verwundeter in Tragekörben auf Kamelen [11]

Als wehrmedizinisch bedeutsam erwiesen sich im Kriegsverlauf Fleck- und Rückfallfieberepidemien, Malaria, Cholera und Typhus. Die Ausfälle durch Kriegsseuchen lagen weit höher als diejenigen durch Verwundungen. Der Sanitätsdienst der Deutschen Militärmission etablierte die Diagnostik, Therapie und Prophylaxe von Infektionskrankheiten, stellte Desinfektionsanlagen bereit und überwachte die Abfall- und Fäkalienbeseitigung, die Impfungen und den Schutz der Truppen vor endemischen Infektionskrankheiten. Die Armeen im Taurusgebiet und in Mesopotamien erhielten ein mobiles Labor, das teilweise in Eisenbahnwaggons untergebracht war. Auf dem Sinai und in Palästina wurden mobile Felduntersuchungsstationen mit angeschlossenem Seuchenlazarett eingesetzt. Die Deutsche Militärmission wurde dabei durch Gesundheitsämter im damaligen Konstantinopel und Jerusalem unterstützt. Während der Militärmission gewann der deutsche Sanitätsdienst wertvolle Erkenntnisse und Erfahrungen für spätere Einsätze unter ähnlichen geographischen und klimatischen Bedingungen.

Schlüsselwörter: Erster Weltkrieg, Vorderasien, Osmanisches Reich, Deutsche Militärmission, Mittelmeer-Division, sanitätsdienstliche Versorgung, Seuchenbekämpfung.

Summary

During World War I the Near East front has been considered as a secondary theatre. Thus data on the medical support of the German military mission consisting in the Mediterranean division (MMD) and German-Austrian army formations with approximately 25.000 soldiers are rare. At the beginning of the combat activities the Ottoman army and its medical service could not met the demands for a modern war employing automatic weapons, yet. Therefore the medical service, based mainly on the MMD, as early as 1915 provided medical care and later on additional epidemic control not only for its own troops but also for the Ottoman armed forces.

During the war epidemics of spotted fever, relapsing fever, malaria, cholera, typhoid fever and dysentery became important factors causing far higher casualty numbers than war injuries. The German medical service provided diagnostics, treatment, and prophylaxis of infectious diseases, established facilities for disinfection, vaccinations, and protection of troops against endemic infections, and supervised the disposal of wastes and feces. A mobile railroad based laboratory was provided to the troops in the Taurus region and Mesopotamia. In Sinai and Palestine mobile field investigation stations with attached epidemic hospitals were established. The German military mission was supported by health offices located in Constantinople und Jerusalem. During the mission German medical service acquired valuable expert know-ledge and experience – useful for medical support in other areas under similar geographical and climatic conditions.

Keywords: World War I, Near East, Ottoman Empire, German military mission, Mediterranean Division, medical support, epidemic control.

Einführung

Für die Darstellung der sanitätsdienstlichen Versorgung deutscher Truppen auf den Kriegsschauplätzen an den Grenzen des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg liegt keine breite Quellenbasis vor. Neben den Kriegsverlusten der verschiedenen Archive (insbesondere dem Brand des Heeresarchivs in Potsdam) ist als weiterer Grund die Einstufung als „Nebenkriegsschauplatz“ anzusehen. Der überwiegende Teil aller verfügbaren Publikationen stammt aus den 1930er Jahren und umfasst Übersichtsarbeiten - zum Teil von persönlichen Erinnerungen geprägt - sowie den dreibändigen „Sanitätsbericht über das deutsche Heer (Deutsches Feld- und Besatzungsheer) im Weltkriege 1914/1918 (Deutscher Kriegssanitätsbericht 1914/1918)“. Erst seit den 1990er Jahren erschienen weitere Veröffentlichungen, die sich unter Anwendung historisch-kritischer Methoden mit dem Thema auseinander setzen [1, 2, 3, 4, 5, 30, 34]. Diese sehr umfangreichen Arbeiten können hier nur zum Teil berücksichtigt werden, bieten aber interessierten Lesern weitere detaillierte Einblicke.

Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, ausgewählte Schwerpunkte und Probleme der medizinischen Versorgung – insbesondere im Hinblick auf die Gewährleistung einer wirksamen Infektionskontrolle – der Angehörigen der Deutschen Militärmission, speziell der Mittelmeer-Division (MMD), darzustellen. Ausdrücklich stehen dabei die sanitätsdienstlichen und medizinischen Inhalte im Vordergrund, während kultur-, wirtschafts- und geopolitische Motivationen sowie historische Hintergründe nur schlaglichtartig zur Kontextualisierung beleuchtet werden.

Politische Ausgangslage

Am Vorabend des Ersten Weltkrieges beherrschte das Osmanische Reich zwar immer noch den Landblock zwischen Indischem Ozean, Mittelmeer und Kaspischem Meer, hatte aber seit dem 17. Jahrhundert durch nahezu durchgehend andauernde Kämpfe und innere Konflikte zwischen den verschiedenen Ethnien des Vielvölkerstaates den größten Teil seiner afrikanischen, europäischen und asiatischen Gebiete verloren [29]. Insbesondere der Erste Balkankrieg im Jahre 1912 führte zum Verlust osmanischer Gebiete auf dem Balkan an Serbien, Bulgarien, Griechenland und Montenegro.

Aus Sicht der osmanischen Regierung war eine Bewahrung der Integrität beziehungsweise ein Wiederaufstieg des Reiches nur mit starken europäischen Mächten möglich. Nach gescheiterten Gesprächen mit Russland und Frankreich führten Bündnisverhandlungen mit Deutschland schließlich am 2. August 1914 zur Unterzeichnung des geheimen Bündnisvertrages zwischen dem Deutschen und dem Osmanischen Reich [29]. Nach Ausbruch der Kampfhandlungen standen sich in Europa das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn als verbündete Mittelmächte, denen sich im Laufe des Krieges das Osmanische Reich und Bulgarien anschlossen, und die aus Großbritannien, Frankreich und Russland bestehende Entente mit ihren Alliierten gegenüber. Die Aktivitäten der Mittelmächte zielten darauf ab, im britischen Einflussbereich liegende regionale Erdölfelder anzugreifen sowie den Suezkanal zuerreichen, was zur Unterbindung des Schiffsverkehrs und des Nachschubs mit resultierender Schwächung der Entente-Mächte geführt hätte [6, 7]. Während die deutsche Regierung das Osmanische Reich als „Gegengewicht zu Russland“ etablieren wollte [8] und auf einen sofortigen Kriegseintritt zur Bindung feindlicher Kräfte drängte [29], lagen die osmanischen Interessen vor allem in Persien und Transkaukasien. Dies musste zwangsläufig ebenfalls zur Kollision mit russischen Interessen führen. Belastend für das deutsch-osmanische Bündnis war die innenpolitische Situation im Osmanischen Reich: Zwischen Befürwortern eines Anschlusses an die Mittelmächte oder die Entente entstand ein Patt, verbunden mit der Gefahr, dass die Regierung in Konstantinopel ihre vertraglich mit dem Deutschen Reich eingegangenen Bündnispflichten ablehnen könnte.

Hauptziel der Entente war die Sicherung strategisch wichtiger Schiffsverbindungen durch die Dardanellen und den Suezkanal, die nach Blockierung der Ostsee durch Schiffe der kaiserlich-deutschen Marine die einzigen Nachschublinien zwischen den Westalliierten und Russland waren.

Militärische und sanitätsdienstliche Ausgangslage

Bereits im Dezember 1913 [29] begann eine deutsche Militärmission, bestehend aus Militärberatern, Waffen- und Eisenbahnbauspezialisten (letztere für den Bau der „Bagdadbahn“) auf Wunsch des Osmanischen Reiches mit ihrer Tätigkeit [6, 8, 9, 10]. Im ersten Kriegsjahr beschränkte sich die sanitätsdienstliche Unterstützung auf Angehörige der Freiwilligen Krankenpflege, während ab Herbst 1915 deutsche Sanitätseinrichtungen in und um Konstantinopel entstanden [29]. Nach der Kriegserklärung durch die Entente an das Osmanische Reich wurde die Deutsche Militärmission schrittweise personell und materiell zu einem Expeditionskorps (Pascha I und Pascha II) und der Heeresgruppe F (Jildrim) – letztere auch als „Deutsches Asienkorps“ bezeichnet – ausgebaut [31]. Während das deutsche Kontingent Anfang 1915 aus lediglich 400 Mann bestand, betrug sein Umfang Ende August des gleichen Jahres bereits 6 000 Soldaten und 600 Offiziere. Die sanitätsdienstliche Versorgung der Korps stellten unter anderem deutsche Sanitätskompanien, Feld- und Kriegslazarette sicher [29]. Bis Kriegsende waren etwa 25 000 deutsche Soldaten, davon 68 Sanitätsoffiziere, in Syrien, Palästina, Konstantinopel, auf der Halbinsel Gallipoli und an anderen Orten im kleinasiatischen und nordpersischen Raum im Einsatz [2]. Diese Kräfte standen während der gesamten Kämpfe unter dem Kommando der deutschen Generalität, die sich aber dem osmanischen Oberbefehl unterzuordnen hatte. Otto Liman von Sanders, zunächst Chef der Militärmission [7], übernahm als osmanischer Marschall das Kommando über das I. Armeekorps in Konstantinopel und befehligte ab März 1915 die 5. Armee mit zirka 60 000 Mann während der Verteidigung der Gallipoli-Front gegen die Streitkräfte der Entente [9, 10]. Mit Limans Stabschef, Bronsart von Schellendorf, und Freiherr von der Goltz als Berater des Oberbefehlshabers dienten weitere deutsche und österreichische Offiziere in Kommandopositionen der osmanischen Armee [9]. Allerdings traten im Kriegsverlauf unterschiedliche strategische Zielstellungen und Spannungen zwischen der osmanischen Armeeführung und dem deutsch-österreichischen Offizierskorps auf, welche die einheitliche Kriegsführung erschwerten [6].

Zusätzlich zu den deutsch-österreichischen Landstreitkräften traf am 10. August 1914 die MMD, im Kern aus dem großen Großen Kreuzer GOEBEN und dem Kleinen Kreuzer BRESLAU bestehend, unter dem Kommando von Admiral Wilhelm Souchon in den Dardanellen ein [29]. Die Schiffe der MMD wurden nach Umbenennung in die osmanische Flotte eingegliedert und nahmen bereits am 29. Oktober 1914 an einer Seeoperation gegen russische Schwarzmeerhäfen teil [7], wobei Souchon weiterhin der deutschen Seekriegsleitung unterstellt blieb [29].

Das osmanische Heer bestand aus drei Armeen mit 13 Korps, die 1914 eine Friedensstärke von 300 000 Mann und 8 000 Offizieren aufwiesen. Bis 1916 wuchs die Armee auf 1 Million Mann auf [6]. Die Kampfkraft der osmanischen Truppen bewerteten die europäischen Mächte als relativ niedrig [11]. Als Ursachen werden unter anderem angesehen [1, 2, 5, 7, 10, 11]:

  • soziale und ökonomische Rückständigkeit,
  • hohe Staatsverschuldung und Reformstau aufgrund der Balkankriege,
  • ungünstige hygienisch-epidemische Situation aufgrund eines unterentwickelten Gesundheitswesens und gravierender Hygienemissstände,
  • unbedeutende Rüstungsindustrie,
  • niedriger Stand des Verkehrswesens,
  • hohe Abhängigkeit bei der Bewaffnung und Ausrüstung von deutschen Lieferungen,
  • erhebliche innere religiöse und ethnische Spannungen im osmanischen Vielvölkerstaat (unter anderem Armenier, Griechen) und
  • geringes Bildungsniveau der Soldaten, bedingt durch weit verbreitetes Analphabetentum.

Nicht nur das Heer, sondern auch das osmanische Sanitätswesen, dessen Chef, Suleiman Numan Pascha, an der Kaiser-Wilhelm-Akademie in Berlin ausgebildet worden war, hatte mit den bereits geschilderten Problemen zu kämpfen [9].

Das osmanische Heeressanitätswesen war kaum in der Lage, den Anforderungen eines modernen Krieges gerecht zu werden und bedurfte dringend der Unterstützung seiner Verbündeten [7, 10, 12]. In diesem Zusammenhang ist besonders der bayerische Sanitätsoffizier und Hygieniker Georg Mayer zu nennen, welcher sich bereits vor Kriegsbeginn für die Umgliederung des osmanischen Sanitätswesens in Sanitätskompanien, Feld- und Kriegslazarette nach deutschem Vorbild eingesetzt hatte. Dieses Vorhaben konnte nur teilweise umgesetzt werden [2, 10], wie auch die Zusammenarbeit oft nur in den Führungsebenen funktionierte. Nachschub- und Versorgungsfragen wurden durch die Bürokratie erheblich erschwert und in den letzten zwei Kriegsjahren regelrecht sabotiert [13].

Die Schiffsärzte der MMD arbeiteten im Interesse der deutschen Marineangehörigen von Beginn an eng mit der Marinemedizinalabteilung des osmanischen Marineministeriums zusammen [9]. Bis zum Aufbau eigener ortsfester Sanitätseinrichtungen konnten vorübergehend osmanische Ressourcen wie Impfstoffe, Verbandmittel, Bettenkapazitäten, Laboratorien und ähnliches genutzt werden [9].

Bis zum Eintreffen der ersten deutschen Sanitätsformationen erfolgte die medizinische Versorgung der deutschen Soldaten ausschließlich durch den Sanitätsdienst der MMD unter Leitung des deutschen Flottenarztes der türkischen Flotte, Heinrich Trembur [9, 13]. Im weiteren Verlauf des Jahres 1914 mussten zusätzlich kriegswichtige Objekte und Personengruppen wie

  • Arbeiterbataillone in der Wüste,
  • Eisenbahnbautrupps an der Bagdadbahn,
  • Bergwerksarbeiter in den Kohle- und Borax-Gruben (Salten, Tschair, Ajasma),
  • Arbeiter im Gartenbau und im Fischfang (Kara-Su) und
  • Rekrutendepots in Angora

sanitätsdienstlich betreut werden [2, 10, 14].

Der Kriegsverlauf bis Oktober 1918 und die Frontverläufe sind in Abbildung 1 dargestellt.

Am 18. März 1915 versuchten britische und französische Kriegsschiffe, die Dardanellen zu durchbrechen. Nach Scheitern des Angriffs von See landeten an der Küste der Halbinsel Gallipoli am 25. April 1915 starke Landstreitkräfte, deren größtes Kontingent aus 75 000 britischen Soldaten bestand [11]. Es wurde später durch das etwa 100 000 Mann umfassende Australian-New Zealand Army Corps (ANZAC) unterstützt [11]. Die monatelangen erbitterten Kampfhandlungen der Gallipoli-Schlacht gehörten zu den wichtigsten und verlustreichsten des Krieges in Vorderasien [11]. Trotz eines erheblichen Einsatzes an Kräften und Mitteln gelang den alliierten Verbänden der Durchbruch durch die osmanische Küstenverteidigung nicht [6] – ein Übergang der Front zum Stellungskrieg war die Folge (Abbildung 2).

Tabelle 1 gibt einen Überblick über Verlustzahlen der beteiligten Kampfparteien und zeigt die Härte der Kämpfe und enormen Anforderungen an den osmanischen Sanitätsdienst bei bis zu 17 000 Verwundeten an einem Tag [16].

Als im Herbst 1915 der direkte Landweg von Deutschland nach Konstantinopel aufgrund der Niederlage Serbiens frei war und infolge des Kriegseintritts Bulgariens auf der Seite der Mittelmächte eine neue Front im Norden Griechenlands entstand, musste die Landungsoperation der Entente auf Gallipoli aufgegeben werden. Daraufhin konnte sich auch der deutsche Heeres-sanitätsdienst mit eigenen Sanitätsformationen an der medizinischen Versorgung der Soldaten beteiligen. Hierbei sind folgende ab 1915 eingeleiteten Aktivitäten erwähnenswert [10]:

  • Einrichtung eines Feldlazaretts in Bigali mit Desinfektions-, Entlausungsanstalt und Infektionsabteilung in sogenannt

Doecker-Baracken[1] für während der Kämpfe auf Gallipoli verwundete Deutsche und Österreicher,

  • Evakuierung türkischer Verwundeter und Kranker auf zwei Lazarett- und vier Krankenschiffen nach Konstantinopel,
  • Abordnung von Rudolf Collin (33) als „Oberster Sanitätsoffizier“ der Deutschen Militärmission ab 19.12.1915,
  • Eröffnung eines Etappenlazaretts in Konak mit Apotheke, Laboratorium und Infektionsabteilungen ebenfalls in Doecker-
  • Baracken,
  • Aufstellung des ersten Etappensanitätsdepots für die materielle Versorgung der türkischen und deutschen Sanitätseinrichtungen und einer zahnärztlichen Abteilung in Konstantinopel (später folgten weitere Etappensanitätsdepots unter anderem in Aleppo, Damaskus, Nazareth und Bagdad),
  • Erweiterung des bakteriologischen Laboratoriums der Marine und Einweisung der zukommandierten deutschen Sanitätsoffiziere in Diagnostik und Behandlung wichtiger Infektionskrankheiten,
  • Einsatz deutscher Beratender Hygieniker in den osmanischen Armeen zur Seuchenbekämpfung (Fleck- und Rückfallfieber, Malaria, Amöbenruhr, Pappatacifieber, Cholera) und
  • Einrichtung von Polikliniken in Aleppo, Homs, Messudie und Jerusalem für die medizinische Versorgung der Bewohner.

Versorgung Verwundeter

Der improvisierte Abtransport von Verwundeten, die in den vorderen Sanitätseinrichtungen nur unzureichend versorgt werden konnten, erfolgte mit Passagierdampfern ohne ausreichende Verpflegung und ärztliche Begleitung [18]. Erreichten sie nach drei Tagen die Etappenlazarette in Konstantinopel, befanden sich die Patienten aufgrund der meist schon infizierten Wunden in einem schlechten körperlichen Zustand. In den türkischen Lazaretten machte sich das Fehlen ausgebildeter Krankenpflegekräfte bemerkbar. Zwar versuchte der türkische Halbmond (dem Deutschen Roten Kreuz vergleichbar), Pflegerinnen zu mobilisieren, aber zumeist übernahmen unerfahrene oder nicht ausgebildete Soldaten pflegerische Tätigkeiten [16].

Obwohl einige Chirurgen der osmanischen Armee in Berlin ausgebildet worden waren, reichten die Kapazitäten bei dem Massenanfall von Verwundeten zu Beginn der Landungsoperation der Entente nicht aus. Der Sanitätsdienst der MMD unterstützte ab Beginn der Dardanellenoperation, ab Herbst 1915 zusammen mit Sanitätsformationen des deutschen Asienkorps, die osmanischen Militärärzte mit Chirurgen, Operations- und Bettenkapazitäten sowie Sanitätstrupps für die Bergung und den Abtransport Verwundeter (Abbildungen 3, 4 und 5).

Einen ungefähren Einblick in Verletzungsmuster, Behandlungsspektrum und Schwierigkeiten bei der Verwundetenversorgung geben Berichte der eingesetzten Chirurgen und Hygieniker [12, 14, 16, 18]:

  • Charakteristische Verletzungen waren durch Handgranaten und Minen verursachte penetrierende Wunden mit großen Wundhöhlen, infizierte Gelenkverletzungen, komplizierte Knochenbrüche und Weichteilblutungen.
  • Als Narkosemittel diente ausschließlich Chloroform, während Lokalanästhetika generell nicht zum Einsatz kamen.
  • Von den 8 000 durch deutsche Chirurgen versorgten Verletzten starben 70 % während der Behandlung an Infektionen. Häufigste Todesursachen waren Sepsis (32 %), Gasphlegmone (20 %) und Tetanus (18 %). Erschwerend kam hinzu, dass die Isolierung septischer Fälle nicht möglich war.
  • Infizierte Gelenkbrüche oder andere ausgedehnte Extremitätenverletzungen wurden durch Amputationen oder Exartikulationen behandelt. Amputationen durften nur nach einem Konsilium mit Ärzten der osmanischen Armee vorgenommen werden. Abdominaloperationen waren ausgesprochen selten, da Bauchverletzte das Lazarett zumeist nicht mehr lebend erreichten.
  • Die MMD-Einrichtungen verfügten über etwa 400 Betten. Für die in der Tasch Kyschl-Kaserne eingesetzten und aus vier Chirurgen und acht Sanitätskräften bestehenden deutschen Chirurgenteams wurde die chirurgische Bettenzahl von 1 500 auf 3 000 erhöht. Unterstützung erhielten die Ärzte von Ehefrauen deutscher und österreichischer Diplomaten und Militärangehöriger, die sich als Pflegerinnen freiwillig meldeten.

Seuchenbekämpfung

Im weiteren Verlauf des Krieges wurde deutlich, dass der Schwerpunkt des deutschen Sanitätsdienstes auf der Seuchenbekämpfung zu liegen hatte, da personelle Ausfälle durch epidemisch auftretende Infektionskrankheiten weit über denen durch Verwundungen lagen [1, 9, 10, 14].

Bereits im Zweiten Balkankrieg 1913 hatte eine Choleraepidemie, bei der etwa 30 000 bulgarischen Soldaten erkrankten, einen wesentlichen Einfluss auf den Kriegsverlauf [9]. Behörden, Gesundheitswesen und die Armeen des Osmanischen Reiches waren in keiner Weise auf Seuchenszenarien vorbereitet. Die seuchenhygienische Situation sowie der Gesundheitszustand der Zivilbevölkerung und Soldaten auf dem Kriegsschauplatz galten teilweise als „besorgniserregend“ [14]. Dazu trugen auch die Vertreibung und der Massenmord an der armenischen Bevölkerung aus dem Nordosten des Osmanischen Reiches ab -April 1915 wesentlich bei. Abgesehen von einem detaillierten Bericht über „Die Armeniergreuel“ [35] des bereits erwähnten bayerischen Sanitätsoffiziers Dr. Georg Mayer und den auch heute noch eindrucksvollen Tagebuch- und Lichtbildzeugnissen des als Krankenpfleger im Stabe des Feldmarschalls von der Goltz eingesetzten Sanitätssoldaten und Schriftstellers Dr. Armin Theophil Wegner [36] wurden diese Aktionen von den meisten Angehörigen des deutschen Sanitätsdienstes in ihren späteren Veröffentlichungen nur selten erwähnt und wenn - wie aus den im Jahre 1935 publizierten Berichten von Marineärzten der MMD zu sehen - nie als Genozid reflektiert. So bezeichnete Ernst August Metge, der am Euphrat eingesetzt war, es als „Kriegsgreuelpropaganda des Feindbundes, dass es nur dem armenischen Volksteil bei der Verschickung sehr schlecht ergangen sei“ [19]. Außerdem sollen „die Armenier Aufständische gewesen sein“ und die Türken hätten die Progrome und Vertreibungen aus „kriegsgebotener Selbsterhaltung“ verübt [19].

Als einziger hoher deutscher Offizier wandte sich Liman von Sanders - allerdings nicht aus humanitären, sondern militärpolitischen Erwägungen - gegen die Verfolgung der Armenier. Der Hygieniker Peter Mühlens beklagte aus rein fachlicher Sicht die Folgen der „Armenierwanderungen“, da die großen, teilweise bis nach Aleppo gelangenden Transporte die Verbreitung von Seuchen begünstigten und die „hygienische Ordnung“ auf den Etappenstraßen gefährdeten [14]. In der Tat soll die Zahl der Krankheits- und Todesfälle in den „Flüchtlingstransporten“ und „späteren Massenquartieren“ sehr hoch gewesen sein, weil dafür keinerlei hygienische Vorkehrungen getroffen wurden [14]. In einer Meldung an Djemal Pascha warnte Mühlens vor den Folgen der nach Süden ziehenden „Seuchentransporte“ der Armenier [20]:

„Falls es nicht gelingen sollte, die Zuwanderung der massenhaft ….infizierten Armenier in das Armeegebiet aufzuhalten, so werden diese bald die ganzen Etappen und die Armee mit Flecktyphus, Dysenterie, Cholera, usw. verseuchen.“

In der Tat breiteten sich diese Infektionskrankheiten rasch epidemisch in der osmanischen Armee und in der Etappe aus [13, 14], was die Einbeziehung der Zivilbevölkerung in Entlausungen und Absonderungsmaßnahmen wie Isolierung oder Quarantäne in „Seuchenlagern“ notwendig machte [1]. Besonders sind hier die Aktivitäten von Ernst Rodenwaldt in Smyrna hervorzuheben.

Der niedrige Durchimpfungsgrad der Soldaten (lediglich deutsche Militärangehörige verfügten über einen ausreichenden Impfschutz gegen Pocken, Cholera und Typhus sowie das Sanitätspersonal ab 1916 gegen Fleckfieber [9]) und Vertuschungsversuche von Krankheitsfällen in den Einheiten durch Offiziere und Mannschaften erschwerten die Seuchenbekämpfung [12, 14].

Lediglich in Einheiten, deren Truppenführer die Notwendigkeit der Seuchenbekämpfung erkannten, beispielsweise Liman von Sanders oder Kemal Pascha (Kommandeur der 4. Armee und späterer Begründer der modernen Türkei), konnten  seuchen-hygie-nische Maßnahmen greifen [1].

Zur Durchsetzung dieser Maßnahmen wurden zahlreiche Hygieniker der MMD, beispielsweise die Sanitätsoffiziere Heinrich Trembur, Carl Hegler, Carl Stade, E. Bentheim und - wie bereits erwähnt - Peter Mühlens, gezielt an den Schwerpunkten der Kampfhandlungen in Palästina und Anatolien, im Taurus-Gebiet sowie in Mesopotamien eingesetzt [1, 14]. Vielfach wurden tropenmedizinisch und militärhygienisch erfahrene Ärzte als Berater eingesetzt. Zu erwähnen sind hier der arabische Mediziner Abyad im Seuchenlazarett Hafir-el-Anscha und die deutschen Sanitätsoffiziere Ernst Rodenwaldt in der 5. Armee sowie Wilhelm His und Victor Schilling im Taurusgebiet [1, 9, 12, 14]. Ihr Wissen und Können erwiesen sich an den verschiedenen Seuchenherden von unschätzbarem Wert.

Die Hauptaufgaben des deutschen Sanitätsdienstes bestanden in Folgendem [9, 10, 12, 14, 21, 22]:

  • Überwachung des Gesundheitszustandes des Militärs und der Zivilbevölkerung im Kampfgebiet der Truppen und im Hinterland,
  • Behandlung ziviler Patienten mit Infektionskrankheiten und Durchführung von Impfungen der Zivilbevölkerung gegen Typhus und Cholera zur Eindämmung von Seuchen im Kampfgebiet,
  • Ermittlung, Bekämpfung und Verhütung von Infektionskrankheiten,
  • Durchführung und Kontrolle hygienischer Maßnahmen in den „Rekrutensammel-Depots“ in Aleppo und Damaskus,
  • Einrichtung von Verpflegungs- und Krankensammelstellen, Orts- bzw. Seuchenlazaretten mit bakteriologischen Untersuchungsstellen sowie Feldlaboren an wichtigen Verkehrspunkten,
  • hygienische Überwachung (Säuberung und Reinhaltung) der Truppenunterkünfte sowie Bekämpfung von Läusen, Wanzen, Fliegen und Moskitos,
  • Schädlingsbekämpfung durch Bade- und Entlausungszüge,
  • Abfall-, Urin- und Fäkalienbeseitigung bei den militärischen Verbänden,
  • Überwachung der Verpflegung und Skorbutprophylaxe,
  • Reinigung und Desinfektion der Eisenbahnwaggons, Sanitätskraftwagen, Verpflegungs- und Sanitäreinrichtungen sowie Unterkünfte durch spezielle Desinfektionskommandos,
  • Schutzimpfungen, Malariaprophylaxe (Chinin, Moskitonetze und -stiefel),
  • Sondertransport Infektionskranker in speziell ausgewiesenen Eisenbahn- und Sanitätskraftwagen und
  • Etablierung von Soldaten- und Genesungsheimen (zum Beispiel in Bagdad).

Das Seuchenspektrum im Kampfgebiet

Als wichtigste Seuchen auf dem vorderasiatischen Kriegsschauplatz galten Fleck- und Rückfallfieber, Malaria und fäkal-oral übertragbare Erkrankungen wie Cholera, Typhus abdominalis, Paratyphus und Ruhr [1, 10, 14, 21, 23, 34]. Eine ausführliche Darstellung des Fleckfiebergeschehens, der Ursachen und medizinischen Folgen sowie ihrer Auswirkungen auf die Kampfhandlungen auf dem vorderasiatischen Kriegsschauplatz findet sich bei Werther [34]. Erste Fleckfieberepidemien traten bereits 1914/15 im Bereich der 5. Armee bei den Kämpfen im Taurus-Gebiet auf. Die Verluste, vor allem beim medizinischen Personal, sollen so hoch gewesen sein, dass jeweils nur noch ein Arzt pro Regiment beziehungsweise für 200 Lazarettbetten verfügbar war [14]. 1915 wurden von der Palästinafront bereits 549 Fleckfieberfälle mit einer Letalität von 51,4 % und eine Rückfallfieberepidemie mit 7,8 % Letalität gemeldet [14]. Zeitweise waren in der 4. Armee Rückfallfiebererkrankungen 10mal häufiger als Fleckfieberfälle. Bei den 3 000 bis 4 000 Rückfallfieberinfizierten betrug die Sterblichkeit trotz Behandlung 2 bis 5 % [14].

In Vorderasien wurden mit 3,7 % (2. Kriegsjahr), 10,7 % (3. Kriegsjahr) und 5,1 % (4. Kriegsjahr) der Erkrankungen die höchsten Anteile an der Gesamtzahl aller Fleckfieberfälle im deutschen Heer während des Ersten Weltkriegs verzeichnet [21]. Eines der prominentesten Opfer war der Kommandeur der 3. osmanischen Armee, Freiherr von der Goltz, der am 19.4.1916 in Bagdad dieser Infektionskrankheit erlag [10]. In der kalten Jahreszeit dominierten die von Wanzen (Rückfallfieber) und Kleiderläusen (Fleckfieber) übertragenen Krankheiten. Dagegen traten in der warmen Jahreszeit vor allem die fäkal-oral und durch Fliegen (Cholera, Ruhr, Typhus) sowie durch Mücken (Malaria) übertragenen Seuchen in den Vordergrund [14].

Während einer Choleraepidemie vom Mai 1916 bis Dezember 1917 erkrankten in Palästina und Mesopotamien 16 460 Soldaten der 2. Armee, von denen 8 506 (etwa 50 %) verstarben [14]. Choleraerkrankungen traten bei der osmanischen Bevölkerung bis Ende des Krieges regelmäßig auf. Amöbenruhr wurde in Syrien und Mesopotamien bei kleineren Epidemien von der Zivilbevölkerung auf die Truppen übertragen [12, 14]. Mit 4,4 % (1915/16), 9,2 % (1916/17) und 1,0 % (1917/18) aller Erkrankungen war der Anteil dieser Seuche auf dem vorderasiatischen Kriegsschauplatz am höchsten [24].

Erhebliche Ausfälle verursachte die Malaria, die in Vorderasien als „Volksseuche“ weit verbreitet war [10, 22]. Viktor Schilling [zitiert bei 14] berichtete 1916 aus dem Taurusgebirge und Aleppo von 825 frischen Malariafällen mit einer Letalität von 1,82 %. Häufigste Malariaform (76,1 %) war die Malaria tropica [22, 25]. Zur Behandlung und Prophylaxe kam Chinin zum Einsatz. Mit Moskitonetzen, die aber unzureichend schützten, und durch Abdichtung von Regenwasserzisternen und Trockenlegung der Brutreservoire der Anophelesmücke (Tümpel, Teiche und andere stehende Gewässer) versuchte man, die Malaria bereits vor Ausbreitung zu bekämpfen. Auch während der Sinaikämpfe dominierte die Malaria das Infektionsgeschehen in den deutschen Truppen (Tabelle 2).

Pocken, Lepra, „Orientbeule“ und Fünftagefieber traten nur vereinzelt auf und spielten daher epidemiologisch keine Rolle [10]. Über Erkrankungen an Brucellose, Rotz, Pest, Tularämie oder Milzbrand wurde nicht berichtet [10, 23]. Erwähnenswert ist jedoch das Pappataci-Fieber, das von Sandmücken (Phlebotomus pappatasi) übertragen wird. So wurde über Ausbrüche im Juni 1915 an einigen Frontabschnitten der Gallipoli-Halbinsel und im August 1916 auch im Taurus- und Amanusgebiet berichtet [10, 18]. Größere Probleme bereitete die Tuberkulose, die in der Zivilbevölkerung durch katastrophale Wohnbedingungen weit verbreitet war und in erheblichem Maße auch in die Truppe eingeschleppt wurde [9]. Ein weiteres Gesundheitsproblem war das endemisch verbreitete Trachom, für dessen Behandlung ein deutscher Augenarzt an Schwerpunkte des Ausbruches kommandiert wurde [13, 26].

Der vorderasiatische Kriegsschauplatz war zusätzlich durch eine hohe Morbidität venerischer Krankheiten (125,6/1 000) belastet (Tabelle 2) [10, 27]. Durch zwangsweise Schließung der Bordelle in Konstantinopel breiteten sich Geschlechtskrankheiten unkontrolliert über das Land aus. Diagnostik und Therapie von Syphilis und Gonorrhoe bildeten in Konstantinopel und anderen Großstädten einen besonderen Schwerpunkt [14].

Seuchenhygienische Maßnahmen

Einen hohen Stellenwert hatte die Ungezieferbekämpfung. Dabei mussten die klimatischen Besonderheiten in Vorderasien und ihr Einfluss auf die Entwicklung der Überträger berücksichtigt werden. In heißen und trockenen Sommern trat üblicherweise eine Fliegenplage auf, im Winter entwickelten sich Wanzen und Flöhe in den warmen Unterkünften. Die Voraussetzungen für Entlausungen von Bekleidung und Ausrüstung, Truppenunterkünften und Eisenbahnwaggons galt es aber erst zu schaffen, da von osmanischer Seite vor Kriegsausbruch keinerlei Vorkehrungen getroffen wurden [14].

Weitere Aufgaben waren, wie bereits erwähnt, Lebensmittelkontrolle, Skorbutprophylaxe bei den Bauarbeitereinheiten und im Rahmen von Wüsteneinsätzen sowie in den großen Rekrutensammelstellen die Eindämmung der Vermehrung von Skabies [13].

Neben bereits geschilderten Maßnahmen versuchte man, durch Organisation der Fäkalien- und Leichenbeseitigung, Krankheitsübertragungen durch Fliegen zu verhindern. Zur Isolierung infizierter Patienten wurden Seuchenlazarette an den Marsch- und Nachschubstraßen eingerichtet, denen oft ein bakteriologisches Labor angeschlossen war [10]. Als Pflegekräfte konnten in Palästina deutsche Boromäer-Schwestern aus Jerusalem gewonnen werden [14].

Labordiagnostik

Für die mikrobiologisch-serologische Diagnostik stand dem deutschen Sanitätsdienst das bakteriologische Untersuchungsamt in Konstantinopel zur Verfügung [10, 25]. Hier waren in Ausnahmefällen auch klinisch-chemische und sonstige diagnostische Untersuchungen sowie eine begrenzte Produktion von Impfstoffen gegen Cholera, Typhus und Paratyphus A möglich [14, 25]. In Jerusalem wurde am internationalen Hygieneinstitut eine deutsche Malariastation eröffnet [10, 26]. Hier fungierte das schon im Jahre 1913 von Mühlens gegründete Gesundheitsamt als „hygienische Zentrale“ der 4. Armee in Palästina, Mesopotamien und auf der Sinaihalbinsel [14].

Die erheblichen Entfernungen der stationären Einrichtungen zu den Frontverläufen machten den Aufbau beweglicher bakteriologischer Feldlaboratorien (auch als Seuchenlaboratorien oder Felduntersuchungsstationen bezeichnet) für die 4. und 5. Armee mit angeschlossenen Quarantänestationen und Seuchenlazaretten notwendig [22]. Bei Vorstößen auf den Sinai und zum Suezkanal wurden Feldlaboratorien mit angeschlossenen Lazaretten unter anderem an folgenden Orten errichtet: Ibne, Gaza, Nables, el Arisch, Aleppo, Adana und Damaskus (Abbildung 6).

Besondere Bedeutung sollte das bewegliche bakteriologische Feldlaboratorium für die Seuchenschwerpunkte der 3. Armee in Anatolien, im Taurus und in Mesopotamien [13, 22] erlangen. Dazu waren ein bakteriologisch-serologisches Labor, die Desinfektionsabteilung, Küche, Elektro- und Kühlaggregate sowie Personalunterkünfte fest in Eisenbahnwaggons eingebaut (Abbildungen 7 und 8), während Laborgeräte und Materialien in 20 Kisten („Münchner Feldlaboratorium“) mitgeführt wurden [9, 22].

Diese Einrichtung wurde auf Initiative von Trembur beschafft, durch Souchon am 7.11.1916 an das osmanische Kriegsministerium offiziell übergeben und erst 1919 aus Bosanti abgezogen [22].

Das Laborpersonal bestand aus einem Arzt, einem Zoologen, sechs Marinesoldaten, einem Sanitätshauptmann (als Dolmetscher) und zwei Sanitätssoldaten der osmanischen Armee (Abbildung 9) [22].

Das bakteriologische Feldlaboratorium befand sich von November 1916 bis zum Kriegsende im November 1918 in Angora und Bosanti im Einsatz. Insgesamt wurden 18 000 Proben, vorwiegend aus den Lazaretten der 3.  Armee, der Rekrutensammelstelle Masafirhane und der poliklinischen Beratungsstelle in Angora, untersucht [22].

Morbiditäten

Die Auswertung der Sanitätsberichte des Ersten Weltkrieges zeigt, dass die Gesamterkrankungszahlen auf dem vorderasiatischen Kriegsschauplatz während der drei Kriegsjahre (1916-18) generell über dem Durchschnitt des deutschen Feldheeres lagen [23]; in den Sommermonaten überstiegen sie den Durchschnitt sogar um ein Vielfaches (Abbildung 10).

Ähnliches traf auch für die Zugänge an übertragbaren Krankheiten zu. Während diese im deutschen Feldheer an der Ost- und Westfront zwischen 38,3 und 188,6  ‰ der Durchschnitts-Iststärke pro Jahr betrugen, erreichten sie auf dem vorderasiatischen Kriegsschauplatz zwischen 277,6 - 872,1  ‰ pro Jahr [23]. Die Zugänge von Kranken mit ausgewählten Infektionskrankheiten in den deutschen Lazaretten während dieses Zeitraums sind in Tabelle 3 aufgeführt.

Ergebnisse des Einsatzes des deutschen Sanitätsdienstes

Der Sanitätsdienst der Deutschen Militärmission erbrachte auf dem vorderasiatischen Kriegsschauplatz bis zur Rückführung über die besetzte Ukraine mit über 25 000 Militärangehörigen (einschließlich osmanischer Unterstützungskräfte) einen wesentlichen Beitrag für die militärischen Kampfhandlungen, den Kohle- und Boraxabbau (für die Produktion optischer Gläser bei Zeiss Jena), die Holzkohleherstellung (für die Pulverproduktion), die Lebensmittelindustrie und den Fischfang [14]. Als besondere Leistung muss die antiepidemische und hygienische Arbeit gewürdigt werden, die entscheidend dazu beitrug, die Ausbreitung von Infektionskrankheiten in die Truppe zu begrenzen und die Kampfkraft der Soldaten zu erhalten. Nicht von ungefähr stellte Mühlens daher fest, dass die „Kriegshy-giene einen wesentlichen Bestandteil der Kriegstaktik“ bildet [20].

Nicht zuletzt ermöglichten es die Erkenntnisse und Erfahrungen auf dem Kriegsschauplatz im Nahen Osten, die Organisation der Seuchenbekämpfung in den beteiligten Armeen schon während des Krieges zu optimieren. Einige der damals als sinnvoll erachteten Prinzipien, Maßnahmen und Einrichtungen, wie zum Beispiel die gezielte Immunprophylaxe oder der Einsatz von Desinfektions-, Schädlingsbekämpfungs- und Quarantänekommandos sowie beweglichen bakteriologisch-serologischen Laboratorien, haben in den Sanitätsdiensten moderner Streitkräfte bis heute ihre Gültigkeit nicht verloren. Sie dienten unter anderem als Vorbild für die spätere Entwicklung von Feldlaboren in Faltkoffern des Medizinischen Dienstes der Nationalen Volksarmee, der „Mobilen“ (MSE) und auch der neuen „Luftbeweglichen Sanitätseinrichtungen“ (LSE) des Sanitätsdienstes der Bundeswehr.

Das Wirken des deutschen Sanitätsdienstes auf dem vorderasiatischen Kriegsschauplatz ist somit heute nicht nur aus historischer Sicht interessant.

Bildquelle: siehe Literaturverweise

Literatur

  1. Eckart WU: Medizin und Kolonialimperialismus in Deutschland 1884-1945, Ferdinand Schöningh, Paderborn, 1997.
  2. Eckart WU: Medizin und Krieg. Deutschland 1914-1924. Ferdinand Schöningh, Paderborn, 2014; 319-325 und 501ff.
  3. Becker H: Äskulap zwischen Reichsadler und Halbmond. Sanitätswesen und Seuchenbekämpfung im türkischen Reich während des Ersten Weltkriegs. Murken-Altrogge, Herzogenrath, 1990.
  4. Wulf S: Jerusalem – Aleppo – Konstantinopel. Der Hamburger Tropenmediziner Peter Mühlens im Osmanischen Reich am Vorabend und zu Beginn des Ersten Weltkriegs. LIT, Münster; 2005.
  5. Mangold-Will S: Begrenzte Freundschaft. Deutschland und die Türkei 1918-1933. Wallstein, Göttingen, 2013.
  6. Otto H, Schmiedel K: Der Erste Weltkrieg - Ein militärhistorischer Abriss. Militärverlag der DDR, Berlin, 1977; 158-165, 280-285, 341-346.
  7. Strachon H: Der erste Weltkrieg. Eine neue illustrierte Geschichte. C. Bertelsmann, München 2004; 127-139.
  8. Strachon H: ibid: S. 131.
  9. Trembur H: Ärztliche Tätigkeit in der Türkei bei der Mittelmeerdivision während des Weltkrieges. In: Vor 20 Jahren. Zweite Folge. Von den Dardanellen zum Sues. Mit Marineärzten im Weltkrieg durch die Türkei. Hrsg.: Schriftleitung der Deutschen Medizinischen Wochenschrift. Georg Thieme, Leipzig 1935; 9-67.
  10. Der deutsche Sanitätsdienst auf dem türkischen Kriegsschauplatz (Deutsche Militärmission in der Türkei, Unternehmen gegen den Suezkanal, Nildirim). In: Heeres-Sanitätsinspektion des Reichkriegsministeriums: Sanitätsbericht über das deutsche Heer (Deutsches Feld- und Besatzungsheer) im Weltkriege 1914/1918 (Deutscher Kriegssanitätsbericht 1914/1918). II. Band: Der Sani-täts-dienst im Gefechts- und Schlachtenverlauf im Weltkriege 1914/1918. E. S. Mittler & Sohn, Berlin 1938; 799-809.
  11. Reichsarchiv (Hrsg.); Schlachten des Weltkrieges in Einzeldarstellungen. Bd. 16: Der Kampf um die Dardanellen 1915. Gerhard Stolling, Oldenburg i. O./Berlin 1927; 14-42.
  12. Rosenberger W: Sanitätsdienst beim Oberkommando der Meerengen, Abteilung in den Dardanellen. In: Vor 20 Jahren. Zweite Folge. Von den Dardanellen zum Sues. Mit Marineärzten im Weltkrieg durch die Türkei. Hrsg.: Schriftleitung der Deutschen Medizinischen Wochenschrift. Georg Thieme, Leipzig 1935; 89-91.
  13. Hegler C: Drei Jahre beratender Hygieniker und Kliniker in der Sinaiwüste. In: In: Vor 20 Jahren. Zweite Folge. Von den Dardanellen zum Sues. Mit Marineärzten im Weltkrieg durch die Türkei. Hrsg.: Schriftleitung der Deutschen Medizinischen Wochenschrift. Georg Thieme, Leipzig 1935; 165-182.
  14. Mühlens P: Vier Jahre Kriegshygiene in der Türkei und auf dem Balkan. In: Vor 20 Jahren. Zweite Folge. Von den Dardanellen zum Sues. Mit Marineärzten im Weltkrieg durch die Türkei. Hrsg.: Schriftleitung der Deutschen Medizinischen Wochenschrift. Georg Thieme, Leipzig 1935; 141-160  [6]: 284.
  15. Zschech B: Das deutsche Marine-Sanitätskommando in den türkischen Kriegslazaretten in Konstantinopel. In: In: Vor 20 Jahren. Zweite Folge. Von den Dardanellen zum Sues. Mit Marineärzten im Weltkrieg durch die Türkei. Hrsg.: Schriftleitung der Deutschen Medizinischen Wochenschrift. Georg Thieme, Leipzig 1935; 126-140.
  16. Der Weltkrieg im Bild: Der Weltkrieg im Bild, Berlin-Oldenburg 1927, 341.
  17. Hiltmann E: Mit den Maschinengewehren der Mittelmeerdivision an der Front auf Gallipoli. In: In: Vor 20 Jahren. Zweite Folge. Von den Dardanellen zum Sues. Mit Marineärzten im Weltkrieg durch die Türkei. Hrsg.: Schriftleitung der Deutschen Medizinischen Wochenschrift. Georg Thieme, Leipzig 1935, 112-125.
  18. Metge EA: Ausschnitte vom Euphrat. In: Vor 20 Jahren. Zweite Folge. Von den Dardanellen zum Sues. Mit Marineärzten im Weltkrieg durch die Türkei. Hrsg.: Schriftleitung der Deutschen Medizinischen Wochenschrift. Georg Thieme, Leipzig 1935; 161-164 [14]: 158.
  19. Marinemedizinalamt des Oberkommandos der Kriegsmarine (Hrsg.): Überblick über den gesamten Kriegssanitätsdienst auf den einzelnen Seekriegsschauplätzen der Deutschen Marine. In: Kriegssanitätsbericht über die Deutsche Marine 1914-1918. I. Band Marinesanitätsdienst im Kriege. E. S. Mittler und Sohn, Berlin 1939; 154-177.
  20. Bentmann E. Das bewegliche Seuchenlaboratorium für Anatolien. In: Vor 20 Jahren. Zweite Folge. Von den Dardanellen zum Sues. Mit Marineärzten im Weltkrieg durch die Türkei. Hrsg.: Schriftleitung der Deutschen Medizinischen Wochenschrift. Georg Thieme, Leipzig 1935; 210-234.
  21. Heeres-Sanitätsinspektion des Reichkriegsministeriums: III. Abschnitt: Die Erkrankungen. In: Sanitätsbericht über das deutsche Heer (Deutsches Feld- und Besatzungsheer) im Weltkriege 1914/1918 (Deutscher Kriegssanitätsbericht 1914/1918). III. Band: Die Krankenbewegung bei dem Deutschen Feld- und Besatzungsheer. E. S. Mittler & Sohn, Berlin 1934; 66-67, 87-91, 118, 127, 127.
  22. Hoffmann W: Cholera. In: Schjerning O v, Hoffmann W (Hrsg.): Handbuch der Ärztlichen Erfahrungen im Weltkrieg 1914/1918. Bd. VII, A. Barth, Leipzig 1922; 387-403.
  23. Stade C: Das bakteriologische Untersuchungsamt der Mittelmeer-Division in Konstantinopel 1916-1918. In: Vor 20 Jahren. Zweite Folge. Von den Dardanellen zum Sues. Mit Marineärzten im Weltkrieg durch die Türkei. Hrsg.: Schriftleitung der Deutschen Medizinischen Wochenschrift. Georg Thieme, Leipzig 1935; 183-190.
  24. Koenig G: Augenärztliche Tätigkeit bei der Mittelmeerdivision in Konstantinopel 1915-1918. In: Vor 20 Jahren. Zweite Folge. Von den Dardanellen zum Sues. Mit Marineärzten im Weltkrieg durch die Türkei. Hrsg.: Schriftleitung der Deutschen Medizinischen Wochenschrift. Georg Thieme, Leipzig 1935; 252-256.
  25. Drigalski W: Geschlechtskrankheiten. In: Schjerning O v, Hoffmann W (Hrsg.): Handbuch der Ärztlichen Erfahrungen im Weltkrieg 1914/1918. Bd. VII, A. Barth, Leipzig, 1922; 586-609 [23]: 88.
  26. Mühlmann C: Das deutsch-türkische Waffenbündnis im Weltkriege. Koehler & Amelang, Leipzig 1940.
  27. Hirschfeld G, Krumeich G, Renz I (Hrsg): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2014.
  28. Lorey H: Der Krieg in den türkischen Gewässern. 1. Bd: Die Mittelmeer-Division. E. S. Mittler & Sohn, Berlin 1928.
  29. Kirfe F: Zum Beitrag der Vermessung bei der Bewahrung historischer Geschehnisse (am Beispiel des ehemaligen Häftlingslagers in der Gedenkstätte Buchenwald). https://www.htw-dresden.de/fileadmin/userfiles/geo/Labore/Labor_Photogrammetrie_Fernerkundung/PDF/Diplomarbeit_Thomas_Kirfe.pdf (letzter Aufruf:14.07.2015)
  30. Soytürk M: Deutsche Militärärzte, die im ersten Weltkrieg im Türkischen Heer tätig waren, berichten. https://de.scribd.com/doc/80987994/aerzte1wk-1 (letzter Aufruf: 18.07.2015)
  31. Werther T: Fleckfieberforschung im Deutschen Reich 1914 - 1945. Untersuchungen zur Beziehung zwischen Wissenschaft, Industrie und Politik unter besonderer Berücksichtigung der IG Farben. 2004. http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2008/0157/pdf/dtw.pdf (letzter Aufruf: 15.07.2015)
  32. Mayer G: Die Armeniergreuel 1914/1915. Abschrift o.D. BayHStA Abt IV, Handschriftensammlung
  33. Wegner AT: Die Austreibung des armenischen Volkes in die Wüste. Ein Lichtbildervortrag. Wallstein Verlag, Göttingen 2011

Danksagung:

Die Autoren danken Herrn Oberfeldarzt Dr. André Müllerschön, Sanitätsversorgungszentrum Neubiberg, für seine umfassende Unterstützung beim Lektorat der Arbeit.

Originalarbeit

Manuskriptdaten:

Eingereicht: 07.02.2015
Revidierte Fassung angenommen: 21.07.2015

Zitierweise:

Machalett G, Finke EJ: Die medizinische Versorgung der deutschen Militärmission in Vorderasien 1914 – 1918. Wehrmedizinische Monatsschrift 2015; 8: 248-258

 

[1] Doecker-Baracken wurden Anfang der 1880er Jahre durch den dänischen Rittmeister Johann Gerhard Clemens Doecker entworfen und als leichte Sanitäts- und Lazarettbaracken genutzt. Sie bestanden aus kostengünstig vorgefertigten Teilen (Holzskelettbau, standardisierte Wandelemente), die mit den verfügbaren Transportmitteln an beliebige Einsatzorte verlegt und in wenigen Stunden zusammengebaut werden konnten [32].
Die Doecker-Baracke diente später als Prototyp für den Bau von Häftlingsbaracken im KZ Buchenwald [32].

Datum: 08.09.2015

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