Die Informationslehrübung des ­Sanitätsdienstes der Bundeswehr 2015

Schaufenster in die Einsatzgrundsätze, das Material und die Abläufe der Einsatzversorgung

Der Sanitätsdienst der Bundeswehr (SanDstBw) trägt durch die Übernahme der sanitätsdienstlichen Einsatzunterstützung wesentlich zur Durchhaltefähigkeit und Leistungsbereitschaft der Kontingente im Einsatz bei. Hierzu sind ein komplexes Verbundsystem an mobilen und stationären Elementen und Einrichtungen im Einsatz wie im Inland, die sogenannte Rettungskette, sowie entsprechende Führungsstrukturen, Kommunikations- und Dokumentationssysteme unabdingbar.

Das Sanitätslehrregiment „Niederbayern“ (SanLehrRgt) richtet in jedem Jahr die Informationslehrübung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in Feldkirchen aus, bei der Elemente und Zusammenhänge der sanitätsdienstlichen Einsatzversorgung in dynamischen Bildern wie auch in statischen Präsentationen dargestellt werden. Ziel ist es, einem breiten militärischen wie zivilen Publikum die Führungs- und Einsatzgrundsätze des Sanitätsdienstes zu vermitteln und diese durch verschiedene Darstellungen sanitätsdienstlicher Einsatzelemente zu veranschaulichen.

Einleitung

Die sanitätsdienstliche Einsatzversorgung umfasst ein komplexes System verschiedenster Fähigkeiten und Elemente, die für ein entsprechendes Einsatzland in einem Wirkverbund gebündelt werden. Dabei kommen nicht nur die ambulante und stationäre Patientenversorgung sondern auch weitere fachliche Bereiche wie Präventivmedizin, logistische Anteile und sanitätsdienstliche Führungselemente zum Einsatz. In der Informationslehrübung des Sanitätsdienstes wird das System Sanitätsdienst im Einsatz mit dem Schwerpunkt der Rettungskette dargestellt. Daneben werden aber auch weitere sanitätsdienstliche Anteile und Fähigkeiten präsentiert, die im Zusammenspiel die Einsatzversorgung unterstützen bzw. bedarfsweise zusätzlich integriert werden können. Der SanDstBw muss sich dabei auf sehr unterschiedliche Lagen und Szenarien einstellen, vom humanitären Hilfseinsatz bis zur sanitätsdienstlichen Versorgung hochmobiler Gefechte. Voraussetzung hierfür ist ein breites Portfolio sanitätsdienstlicher Behandlungseinrichtungen, die zeltgestützt und luftverlastbar (LSE) und in Zelt-Container-Systemen (MSE) verfügbar sind und in Form von unterschiedlichen Modulen bedarfsgerecht zusammengestellt bzw. erweitert werden können. Ebenso unabdingbar sind unterschiedliche Verwundetentransportmittel zu Lande und für den Lufttransport (Abb. 1), die hinsichtlich Mobilität, Schutz und sanitätsdienstlicher Möglichkeiten den Anforderungen der militärischen Bedarfsträger gerecht werden. Darüber hinaus bedarf es spezieller sanitätsdienstlicher Fähigkeiten, die je nach Lage schnell in den Einsatz verbracht werden können, um so in besonderen Lagen (z. B. Umgang mit hochinfektiösen Patienten oder mit kontaminierten Verwundeten) reagieren zu können. 

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bb. 1: Präklinische Versorgung, Übergabe an den MedEvac-Hubschrauber.

Sanitätsdienstliche Führungs- und Einsatzgrundsätze:
Bei der Darstellung der sanitätsdienstlichen Einsatzunterstützung ist das Verständnis dery Vorgehensweise im Einsatz von großer Bedeutung. Im Eingangsvortrag der Informationslehrübung des Sanitätsdienstes werden daher nicht nur die einzelnen Elemente der Rettungskette und ihr Fähigkeitsspektrum dargestellt, sondern vor allem auch das Zusammenwirken im Systemverbund sowie die Führungsprinzipien und die Kommunikationsverknüpfungen, die der Sanitätsdienst im Einsatz verwendet. Bei Planung und Umsetzung der sanitätsdienstlichen Einsatzversorgung agiert der Sanitätsdienst der Bundeswehr dabei nach definierten Vorgaben, die je nach Operations­art, Einsatzraum und weiteren äußeren Umständen (Infektiologische Situation, Klima, Umwelteinflüsse) angepasst werden. Zentrales Element hierbei ist die Medical Intelligence, die insbesondere hinsichtlich medizinischer Faktoren des Einsatzlandes aufbereitete Daten zur Verfügung stellt, die bei Einsatzvorbereitung, Planung und begleitend im Einsatz eine wesentliche Grundlage für sanitätsdienstliche Handeln sind. Je nach den örtlichen Gegebenheiten wird hieraufhin die Rettungskette für den Einsatz aufgebaut. Grundsatz ist hier die Maxime des Sanitätsdienstes, die besagt, dass der sanitätsdienstliche Wirkverbund so leistungsstark sein muss, dass als Behandlungsergebnis jedweder Verletzung, Verwundung oder Erkrankung im Einsatz das der Qualität deutscher Behandlungsstandards entspricht. Nach dem Prinzip „Tailored to mission“ erfolgt die Konstruktion der Rettungskette angepasst an die jeweilige Situation vor Ort so, dass der verwundete, verletzte oder erkrankte Einsatzsoldat

  • schnellstmöglich qualifizierte sanitätsdienstliche Hilfe erhält,
  • schnellst- und bestmöglich einer medizinischen Behandlungseinrichtung zugeführt und so
  • schnellst- und bestmöglich behandelt wird um wieder zu genesen oder
  • schnellst- und bestmöglich stabilisiert wird, um unter optimalen Bedingungen zur weiteren Behandlung und Rehabilitation ins Heimatland verbracht zu werden.

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Abb. 2: Taktische Verwundetenversorgung im Rahmen eines Hinterhaltes.
Sämtliches medizinisches Handeln im Einsatz ist nach diesen Grundsätzen ausgelegt. Die Rettungskette enthält neben Behandlungseinrichtungen und Transportelementen Führungs- und Koordinationsbereiche, die durch entsprechende Führungsmittel das gesamte sanitätsdienstliche System im Einsatz überwachen und steuern.

Nach der Vorstellung der sanitätsdienstlichen Einsatzelemente sowie der Führungs- und Einsatzgrundsätze werden diese in eine Übungslage übertragen. Diese verhältnismäßig einfache Lage erlaubt es, die zuvor erläuterten Prinzipien in die Praxis umzusetzen, um sie zu verdeutlichen und mit Leben zu füllen. Gleichzeitig ist die Übungslage die Grundlage für die im Anschluss präsentierten dynamischen Bilder, in denen die Führungs- und Einsatzgrundsätze des Sanitätsdienstes plastisch und realitätsnach dargestellt werden. Der Besucher erhält Gelegenheit, sich in die Planung und Umsetzung der sanitätsdienstlichen Einsatzversorgung hineinzuversetzen.

Dynamische Präsentationen

In insgesamt fünf dynamischen Bildern werden die Vorgehensweisen des Sanitätsdienstes im Einsatz vorgestellt. Dabei erhält der Zuschauer nicht nur einen tieferen Einblick in die verschiedenen Verfahrensweisen der sanitätsdienstlichen Einsatzversorgung sondern lernt insbesondere das Zusammenwirken zwischen Bedarfsträger (hier Heer), Ersthelfer sowie präklinischen und klinischen sanitätsdienstlichen Fähigkeitsträgern mit den zugehörigen Kommunikationswegen und –formen kennen. Beginnend mit einer Gefechtssituation in einer schnellen Anfangsoperation wird der Weg des Verwundeten vom Ort des Geschehens über die Erstversorgung durch den Einsatzersthelfer, die qualifizierte Übernahme und den Transport durch Sanitätspersonal bis zur klinischen Versorgung verfolgt, wobei der Besucher hautnah die einzelnen Einrichtungen und deren Behandlungsspektrum mitverfolgen kann. Einzelne Phasen der taktischen Verwundetenversorgung, Untersuchungs- und Behandlungsalgorithmen aber auch Meldeschemata und Übergabegespräche werden hier deutlich herausgearbeitet und stehen gegenüber dem taktischen Vorgehen im Vordergrund. 

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Abb. 3: Übergabe Verwundeter am Rettungszentrum, leicht.

In einer zweiten Situation werden zu einem späteren Zeitpunkt die sanitätsdienstlichen Vorgehensweisen im Rahmen einer Stabilisierungsoperation dargestellt, wieder eingebettet in die zuvor beschriebene Übungslage. Die während eines Hinterhaltes im Rahmen eine Patrouille verwundeten Soldaten werden nach den Grundsätzen der taktischen Verwundetenversorgung TVV untersucht und behandelt (Abb. 2) und anschließend im Verwundetenlufttransport (tactical AirMedEvac) zur weiteren Versorgung in eine sanitätsdienstliche Behandlungseinrichtung verbracht. Angelehnt an die Einsatzsituation in Afghanistan in den letzten Jahren wird hier verdeutlicht, dass es bei Stabilisierungsoperationen unabdingbar ist, sanitätsdienstliche Elemente in die Patrouillen zu integrieren, um – insbesondere bei eingeschränkt verfügbarem Verwundetenlufttransport – schnellstmöglich handlungsfähig zu sein. Bei der Übergabe der Verwundeten am Rettungszentrum (MSE) (Abb. 3) entsteht durch das Aufkommen weiterer Verletzten eine Situation, in der dem Besucher die Prinzipien der Sichtung und Priorisierung bei eingeschränkt verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten verdeutlicht werden. Detailliert, anhand der dargestellten Verletzungsmuster, werden dabei die Vorgehensweise und die daraus resultierende medizinische Entscheidungsfindung aufgezeigt und verdeutlicht.

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bb. 4: Operation in einem Luftlanderettungszentrum, leicht.
Ziel der dynamischen Vorführungen bei der Informationslehrübung des Sanitätsdienstes ist es, sanitätsdienstliche Vorgehensweisen – gerade in Gefechtssituationen – aber auch die Leistungsfähigkeit und Komplexität der Rettungskette im Einsatz aufzuzeigen (Abb. 4). Anpassung der medizinischen Abläufe an die militärische Situation und die taktischen Notwendigkeiten stehen dabei deutlich im Vordergrund. Ein gleichem Maße werden aber auch die Limitationen und die damit verbundenen Abhängigkeiten zu anderen Einsatzelementen, wie z. B. Sicherung, Logistik und Führungsunterstützung aufgezeigt und damit die sanitätsdienstliche Einsatzversorgung in den Kontext des militärischen Gesamtsystems Einsatz eingebettet.

Statische Präsentation sanitätsdienstlicher Fähigkeiten

An verschiedenen Stationen werden am Nachmittag der Informationslehrübung des Sanitätsdienstes vielfältige Fähigkeiten und Möglichkeiten der sanitätsdienstlichen Einsatzversorgung dargestellt und teilweise durch Vorträge und Vorführungen verdeutlicht. Neben den Elementen der Rettungskette, die bereits zuvor im dynamischen Anteil vorgestellt wurden und die nun von innen besichtigt werden können, werden viele weitere Bereiche der Einsatzversorgung sowie präventivmedizinische Fähigkeiten vorgestellt. So werden

System und Verfahren der Medical Intelligence,

  • das NATO-System Deployable Health Survaillence Capability,
  • mobile diagnostische Fähigkeiten der Task Force Medizinischer ABC-Schutz der Institute für Radiobiologie, Pharmakologie und Toxikologie sowie Mikrobiologie,
  • die landgestützte Verwundetendekontaminationseinrichtung (Abb. 5),
  • das Sanitätsdienstliche Fühungs- und Einsatzsystem (SAFES) und die Arbeit der Verwundetenleitstelle im Einsatz (Patient Evacuation Coordination Cell),
  • Fahrzeuge, Luftfahrzeuge und Ausrüstung des Sanitätspersonals im Einsatz,
  • Sanitätsdienstliche Behandlungseinrichtungen der Ebene 1 (Luftlanderettungsstation) 2- (Basismodul Rettungszentrum Spezialeinsatz) und 2 (Rettungszentrum, leicht) samt Peripheriebereichen und
  • Ausbildung, Einsatz und veterinärmedizinische Versorgung von Diensthunden

präsentiert. Der Besucher erhält die Möglichkeit, sich nach eigenen Interessensschwerpunkten zu informieren und mit Experten der einzelnen Bereiche ins Gespräch zu kommen. Das Gesamtsystem der Einsatzversorgung wird hiermit detailliert vorgestellt und das Bild des Besuchers abgerundet. 

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Abb. 5: Verwundetendekontamination.

Fazit

Auch in diesem Jahr erfreute sich die Informationslehrübung des Sanitätsdienstes wieder großer Beliebtheit. Unter den über 500 Besuchern waren u. a. der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages, Militärattachés, der stellvertretende Inspekteur des französischen Sanitätsdienstes, hochrangige militärische Führer, der nationale Generalstabslehrgang der Führungsakademie sowie Vertreter aus Wirtschaft und von Hilfsorganisationen. Vielfaches positives Feedback unterstrich auch in diesem Jahr wieder den Erfolg und die Notwendigkeit der Veranstaltung.

Im Rahmen der Informationslehrübung des Sanitätsdienstes werden Vorgehensweisen sowie Führungs- und Einsatzgrundsätze des Sanitätsdienstes detailliert dargestellt und sanitätsdienstliche Fähigkeiten und Fähigkeitsträger präsentiert. Dies gibt dem Sanitätsdienst der Bundeswehr die Möglichkeit, gerade den militärischen Führern wie dem Führernachwuchs, seine Verfahren und Arbeitsabläufe im Einsatz intensiv aufzuzeigen und zu erläutern. Damit ist die Informationslehrübung des Sanitätsdienstes keine Konkurrenzveranstaltung zur durch Heer, Streitkräftebasis und Sanitätsdienst gemeinsam durchgeführten Informationslehrübung LandOps, sondern eine sinnvolle Ergänzung, die im Sinne der Einsatzversorgung einen tieferen Einblick in das System des Sanitätsdienstes zulässt. An dieser Stelle sein daher allen Befürwortern und Unterstützern gedankt, die diese Veranstaltung durch ihre Befürwortung und / oder durch ihr aktives Zutun unterstützt haben.

Datum: 10.12.2015

Quelle:

Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2015/2

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