POSTTRAUMATISCHE BELASTUNGSSTÖRUNGEN

Die Bundeswehr nimmt psychische Belastungen von Soldatinnen und Soldaten und deren mögliche Folgen mit hoher Aufmerksamkeit genauso wahr wie sichtbare körperliche Verletzungen oder Verwundungen.

Sie hat die Bedeutung von Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zeitgerecht erkannt sowie schnell und hierauf angemessen reagiert. Seit den 1990er Jahren wurden die Betreuungsund Behandlungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Posttraumatischen Belastungsstörung ständig erweitert und verbessert.

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Die Zuständigkeit für die Grundsätze medizinischer Maßnahmen zur Vorbeugung und Behandlung der Folgen einsatzbedingter psychischer Belastungen ist im Referat BMVg FüSK II 7 verankert. Die Komplexität der Thematik erfordert eine sehr enge Zusammenarbeit mit vielfältigen Referaten anderer Abteilungen im Verteidigungsministerium, sowie den fachlichen Experten im Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr.
Aktuelles Thema mit einer herausgehobenen Wahrnehmung im medialen sowie politischen Raum sind die vor kurzem vorgestellten weiteren Erkenntnisse der Studie zur „Prävalenz und Inzidenz von traumatischen Ereignissen, PTBS und anderen psychischen Störungen bei Soldatinnen und Soldaten mit und ohne Auslandseinsatz“. Diese Studie wurde im Jahr 2009 als zweistufiges Forschungsprojekt an das Institut für Klinische Psychologie und an das „Center of Clinical Epidemiology and Longitudinal Studies “ der TU Dresden, unter Federführung von Prof. Dr. Wittchen in Zusammenarbeit mit dem Psychotraumazentrum des Bundeswehrkrankenhauses Berlin vergeben.
Im ersten Teil dieser Studie wurden im Frühjahr 2011 statistische Hinweise auf Zusammenhänge zwischen dem Auftreten einsatzbedingter psychischer Störungen mit bereits vor dem Einsatz bestehenden unerkannten psychischen Störungen festgestellt.
Gleichwohl wird die psychische Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten sowie der zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundeswehr schon seit langem im Rahmen der Gesundheitsvorsorge mitbetrachtet. Mit Beginn der Auslandseinsätze wurde vor dem Hintergrund der Belastungen im Einsatz ein besonderer Fokus auf die psychische Fitness gelegt.
Das Rahmenkonzept „Erhalt und Steigerung der psychischen Fitness von Soldatinnen und Soldaten“ wurde am 31. Oktober 2012 vom Generalinspekteur der Bundeswehr erlassen und ist eine Weiterentwicklung bisheriger konzeptioneller Grundlagen. Darin wird die Grundstruktur der Einsatzvorbereitung, -begleitung und -nachbereitung zum Prozessmodell „Psychische Fitness“ weiterentwickelt. Ein modulares Programm das zum Erhalt und zur Steigerung der psychischen Fitness sowie zum Erwerb robuster Verhaltensweisen geeignet ist.
Das Prozessmodell ist zwischenzeitlich soweit ausgeplant, dass es - fast zeitgleich mit der letzten Ergebnispräsentation der o. g. Studie – an einem Einsatzkontingent erprobt werden konnte. Dabei wurden ca. 500 für den Einsatz in Afghanistan vorgesehene Soldatinnen und Soldaten in IT-gestützten Verfahren und psychologischen Einzelinterviews eingehend auf ihre Ausprägung zur Bewältigung der zu erwartenden psychischen Belastungen im Einsatz untersucht. Es handelt sich mithin um ein psychologisches „Screening“, zur Abschätzung der psychischen Fitness.
Hierbei soll zukünftig grundsätzlich vor Beginn des ersten Einsatz festgestellt werden, ob die psychische Fitness noch gestärkt werden muss, um mit den besonderen Belastungen des Einsatzes individuell angemessen umgehen zu können, und nach der Rückkehr aus jedem einzelnen Einsatz, ob die Einsatzbelastungen toleriert wurden oder geeignete Maßnahmen zur vollen Wiederherstellung der persönlichen Einsatzbereitschaft eingeleitet werden müssen.
„Die psychische Fitness wird damit als ein gleichberechtigter Bestandteil der Gesundheit neben der physischen Fitness berücksichtigt. Vergleichbar mit einem Leistungssportler, der zur Vorbereitung auf seine Wettkämpfe neben seiner körperlichen gleichermaßen seine mentale Leitungsfähigkeit trainiert, müssen Soldatinnen und Soldaten physisch und psychisch fit sein, um herausfordernde Einsätze erfolgreich zu bestehen“.1
Alle Erprobungsergebnisse fließen unter wissenschaftlicher Leitung des Forschungs- und Behandlungszentrum für Psychotraumatologie und Posttraumatische Belastungs-störungen am BwKrhs Berlin / „Psychotraumazentrum“ unmittelbar in die Weiterentwicklung der Maßnahmen zum Erhalt und zur Steigerung der psychischen Fitness ein.
Durch die Verzahnung von Wissenschaft und Praxis erfolgt im Psychotraumazentrum ein unmittelbarer Wissens- und Erfahrungstransfers zwischen wissenschaftlicher Grundlagenarbeit und anwendungsorientierter Forschung, sowie medizinischer Versorgung. Dabei stellt die Weiterentwicklung und Qualitätssicherung des Managements von PTBS eine weitere wichtige Aufgabe dar.
Neben der konsequenten Weiterführung einer verbesserten psychischen Prävention vor Einsatzbeginn, der Weiterentwicklung der Behandlungsansätze in den Bundeswehrkrankenhäusern, gilt es bereits bestehende Maßnahmen zur professionellen oder aber auch niederschwelligen Unterstützung von Einsatzgeschädigten zu kommunizieren.
Der unter Federführung BMVg FüSK II 7 erarbeitete und kurz vor dem Abschluss stehende Leitfaden für Vorgesetzte und Truppenärzte zum „Umgang mit psychischen Erkrankungen einschließlich PTBS in der Bundeswehr“ die existierenden Informationsschriften des Zentrums Innere Führung und des Bundeswehrkrankenhaus Berlin sind wesentliche Schritte auf dem Weg zur Verbesserung der Kommunikation und Transparenz dieser Thematik.

1 Vgl.Rahmenkonzept „Erhalt und Steigerung der psychischen Fitness von Soldatinnen und Soldaten“, Generalinspekteur der Bundeswehr vom 31. Oktober 2012

Aufmacherbild: Tim Reckmann/pixelio.de

Datum: 27.06.2014

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2014/1

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¹ Psychotraumazentrum, Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Deutschland
² Feuer- und Rettungswache Wedding, Freiwillige Feuerwehr, Berlin, Deutschland
³ Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin, Deutschland
⁴ Bern...

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