HOMOGENITÄT - TEAMGEIST - STOLZ

Interview mit dem Kommandeur Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung, Generalstabsarzt Dr. Michael Tempel

Seit Beginn des Jahres nimmt Generalstabsarzt Dr. Michael Tempel die Aufgaben als Kommandeur des Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung in Weißenfels wahr und steht somit dem neu aufgestellten Fähigkeitskommando des Sanitätsdienstes der Bundeswehr vor, das für die sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung im In- und Ausland zuständig ist. Im Interview spricht Generalstabsarzt Dr. Tempel über seinen Verantwortungsbereich und die Herausforderungen, die vor ihm und seinen anvertrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern liegen. Das Interview führten Heike Lange, Verlegerin des Beta-Verlages, und Oberfeldarzt Dr. Kai Schmidt, Chefredakteur der WEHR­MEDIZIN UND WEHRPHARMAZIE.

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Generalstabsarzt Dr. Michael Tempel (Mitte) im Interview mit Heike Lange (re.), Verlegerin und Oberfeldarzt Dr. Kai Schmidt (li.).

WM: Herr Generalarzt, seit Januar 2013 sind Sie erster Kommandeur des Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung mit Sitz im sachsen-anhaltinischen Weißenfels. Das Kommando ist im Rahmen der Neuausrichtung der Bundeswehr für die Führung der unterstellten Dienststellen, als Fachkommando des Sanitätsdienstes der Bundeswehr für sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung, für national-territoriale sanitätsdienstliche Aufgaben und Zivil-Militärische-Zusammenarbeit sowie als zentrales Leitkommando des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr für alle sanitätsdienstlichen Einsätze zuständig. Wie gestalteten sich die Aufstellung des Stabes und die Übernahme der Aufgaben von den zuvor zuständigen Dienststellen im laufenden Betrieb, denn die Sicherstellung der Einsatzgestellung und die Aufgaben im Inland dauerten und dauern fort?

GSA Dr. Tempel: Wir wussten ja im Vorfeld, was auf uns zukommt und haben am 1. Januar diesen Jahres den Hebel umgelegt, um dieses neue Kommando aufzustellen. Wir wussten, dass wir nicht wirkliche Parallelstrukturen fahren. Wir wussten aber auch, dass die Organisationsgrundlagenpapiere der unterschiedlichen Bereiche letztlich nicht auf einen Schlag ans Netz gehen konnten. Deswegen war es die Herausforderung, in das neue Kommando hineinzugleiten und personell einen solchen Stab ohne Reibungsverluste mit den anderen Bereichen aufzustellen. Wir sind dort auf einem sehr guten Weg. Ich hatte und habe ein sehr gutes Team, das das Ganze richtig gut vorbereitet hat. Die Dienstposten sind zum großen Teil besetzt. Wir haben allerdings einen nicht unerheblichen Mangel an Sanitätsoffizieren auf der Ebene der Oberfeldärzte. Dort gibt es eine erkleckliche Anzahl Dienstposten im Kommandostab, die auch auf mittel- und langfristige Sicht aus meiner Beurteilung heraus nicht besetzt werden können. Geschüttelt haben sich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedoch sehr schnell, weil die Euphorie, eine neue und fordernde Aufgabe zu haben natürlich immer ein guter Motivator ist. Ich denke, das war in der Anfangsphase der Aufstellung des Stabes treibender Motor. Jeder auf seinem Platz hat bedeutend mehr geschultert, als eigentlich in der Dienstpostenbeschreibung gefordert wird. Und da hoffen wir natürlich, dass sich die Arbeitsfülle auf der Zeitachse betrachtet in Richtung Normalität entwickelt.

WM: Das ist sozusagen die Innensicht. Wie beschreiben Sie die Zusammenarbeit mit den anderen neuen „Playern“ im System Sanitätsdienst und in der gesamten Bundeswehr?

GSA Dr. Tempel: Wir haben ja auf der einen Seite bekannte Gesichter auf allen Ebenen. Das erleichtert natürlich die Zusammenarbeit enorm. Jeder weiß, dass wir schon am Point of no return vorbei sind, d. h. es kann nur noch der Blick in die Zukunft sein. Und das weiß jeder, das weiß jede Ebene und jeder Kommandostab. Die Zusammenarbeit mit unserem Schwesterkommando in Diez bezeichne ich als hervorragend. Es gibt sicherlich auf der Arbeitsebene mitunter Reibungsverluste, die normal sind. Aber das kostet in der Regel einen Anruf, entweder aus Diez nach Weißenfels oder umgekehrt. Wir versuchen, alle Probleme adäquat zu lösen. Gleiches gilt für die vorgesetzte Kommandobehörde in Koblenz, das Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr. Natürlich gibt es neue Schnittstellen, die wir vorher nicht hatten. Aber ich bin guten Mutes, dass sich dies einschleifen wird. Obwohl man gar nicht sagen muss, dass es sich einschleifen muss, weil jeder gerade wirklich daran arbeitet, dass Reibungsverluste nicht auftauchen. Wichtig ist natürlich auch die Zusammenarbeit mit dem Kommando Territoriale Aufgaben in Berlin. Wir haben gerade jetzt während der Hochwasserperiode sehr intensiv gelernt, wie man miteinander umgeht, kurze Verbindungen hält und  lieber einmal mehr telefoniert als einmal zu wenig. Gleiches gilt natürlich, obwohl nicht unsere Führungsebene, auch für die Kontakte mit dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam. Zwischengeschaltet ist hier die Führungsebene Kommando Sanitätsdienst, aber die einsatzrelevanten Dinge gehen parallel direkt an uns. Da würde ich die Zusammenarbeit als hervorragend bezeichnen. Nicht zu vergessen ist der Bereich der Bundeswehrkrankenhäuser. Auch da gibt es momentan in Bezug auf die Einsatzgestellung keine Friktionen.

WM: Zuvor waren Sie Kommandeur des Sanitätskommando III, das als Regionalkommando für alle sanitätsdienstlichen Dienststellen in der Masse der neuen Bundesländer verantwortlich zeichnete. Nunmehr gehören zu Ihrem Verantwortungsbereich die Lazarett- und Sanitätsregimenter deutschlandweit, das Kommando Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst (KSES) „Ostfriesland“, das Sanitätslehrregiment sowie die bundesweit dislozierten Versorgungs- und Instandsetzungszentren Sanitätsmaterial. Bislang unterstanden die diversen Dienststellen verschiedenen Kommandobehörden. Wie waren die Abholpunkte und wie stellen Sie eine einheitliche Führung sicher? Lassen sich durch die Führung aus einer Hand beispielsweise Aufgaben bündeln, Verfahrensweisen anpassen und somit Kräfte und Mittel rationeller einsetzen?

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Generalstabsarzt Dr. Tempel (2. v. re.) im Gespräch mit Generalstabsarzt Dr. Dirk Raphael (2. v. li.), dem Kommandeur des Diezer Schwesterkommandos. (Bild: J. Edler)

GSA Dr. Tempel: Ich bin sicher, dass wir aufgrund des Verfahrens Führung aus einer Hand sicherlich Kräfte bündeln und Synergien nutzen. Wir haben im Vorfeld aus dem Sanitätskommando in Weißenfels heraus Teams an die verschiedenen Standorte geschickt, damit die Regimenter, die Versorgungs- und Instandsetzungszentren sowie das KSES in Leer, wussten, mit was und mit wem sie es zu tun bekommen und dann von vornherein vor der eigentlichen Aufstellung des Kommandos und vor der Übernahme der Regimenter eine einheitliche Sprache gesprochen wurde. Es ist, das sage ich unumwunden, schwierig geworden mit dem Spagat Seeth in Schleswig-Holstein als nördlichster Dienststelle und Kempten im Allgäu derzeit noch als südlichster Dienststelle. Wir sind ja noch im Übergang zur neuen Struktur, d. h. es sind ja noch die alten Regimenter am Netz und damit auch die Dislozierung einmal quer durch die Republik. Ich muss fairerweise sagen: Ich habe es nicht unterschätzt, aber es ist eine riesige Herausforderung, präsent zu sein als Kommandeur im  ostfriesischen Leer und in Kempten oder in Feldkirchen. Es ist aus meiner Sicht nicht ausreichend, dies nur einmal im Jahr zu tun und einmal sein Gesicht zu zeigen. Es ist mein Kernverständnis von Führung, dass die Regimenter, die Versorgungs- und Instandsetzungszentren und auch das KSES ein Anrecht darauf haben, ihren Kommandeur des Öfteren von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Diese Herausforderung ist neu, das sind viele Kilometer auf der Straße. Aber rückblickend auf das vergangene halbe Jahr muss ich sagen: Jeder Kilometer hat sich gelohnt, weil die einheitliche Sprache, die einheitliche Zielrichtung damit sehr klar verdeutlicht werden konnte.

WM: Herr Generalarzt, Sie sprachen gerade die Präsenz an den Standorten an und im Rahmen Ihrer Dienstaufsichtsbesuche und Informationsreisen in den verschiedenen Standorten in der ganzen Republik kommen Sie mit vielen Soldatinnen und Soldaten zusammen. Welchen Eindruck haben Sie von den verschiedenen Dienststellen und den diversen Standorten?

GSA Dr. Tempel: Ich habe immer einen Führungsgrundsatz für mich berücksichtigt: Wer Menschen führen will, der muss Menschen auch mögen. Das ist mit der Hauptgrund, warum diese Aufgabe, die ich jetzt habe, wenn nicht die schönste, so doch eine der schönsten Verwendungen ist, die ich jemals hatte. Das hat weniger mit einem bestimmten Dienstgrad zu tun als mit der Aufgabe an und für sich. Die Motivationslage ist natürlich unterschiedlich, wenn man die verschiedenen Bereiche anschaut. Verbände, die wissen, dass sie aufgelöst werden, Verbände, die wissen, dass sie ihren Standort verlieren und verlegen, die muss man enger an sich binden, die muss man enger führen, sich um noch mehr Transparenz bemühen, damit dort die Männer und Frauen wissen, was auf sie zukommt. Grundsätzlich fasziniert mich das, was ich gerade erlebt habe in der Situation der Flutkatastrophe. Es war die hohe Motivation aller Beteiligten, egal auf welchem Dienstposten. Da macht Führung Spaß. Es bedingt aber auch, und das erwarte ich von meinen nachgeordneten Führern in den verantwortlichen Stellen ebenso wie von mir selbst, dass sie die Menschen mit Herz führen. Das ist etwas, woran wir auf allen Ebenen arbeiten. Generell möchte ich, dass diese Corporate Identity, dieses Wir-Gefühl, noch mehr gestärkt wird - auch wenn wir derzeit über die ganze Republik verteilt sind.

WM: Die Sanitätstruppe wird in den nächsten Jahren umgegliedert, ja neu aufgestellt werden - konzentrierter, robuster, durchhaltefähiger. Wie unterscheiden sich hier die neuen von den alten Strukturen?

GSA Dr. Tempel: Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass wir die gesamte Bundeswehr ausschließlich an den Einsätzen orientiert umstrukturieren. Es handelt sich nicht um ein Nachsteuern, eine Beta-Version einer bekannten Software, sondern wir haben einen wirklichen Neubeginn mit dieser neuen Struktur. Sie ist, davon bin ich überzeugt, alternativlos - auch für den Sanitätsdienst. Das Bündeln von Fähigkeiten der regionalen sanitätsdienstlichen Versorgung im Inland und das Bündeln von den Sanitätskräften, die für die Auslandseinsätze zuständig sind, ist eine zukunftsweisende, richtige Entscheidung gewesen, weil sie eben nicht nur Kräfte bündelt, sondern auch Schnittstellen reduziert. Die Aufgabenvielfalt ist nicht weniger geworden. Wir sind noch nicht in der neuen Struktur. Das muss man immer wieder sagen und da muss man auch um Verständnis werben, wenn es manchmal noch knirscht. Aber wir sind auf einem guten Weg. Und ich glaube - nochmals - die Ausrichtung in dieser neuen Struktur mit den Regimentern, den Versorgungs- und Instandsetzungszentren und dem KSES, ist in der Tat alternativlos und zugeschneidert auf eine adäquate Einsatzbestückung.

WM: Sehen Sie strukturelle oder standortbezogene Anhaltspunkte, die ggf. Einfluss auf die bisher vorgegebene Stationierungsplanung nehmen könnten?

GSA Dr. Tempel: Ich denke, die vorgegebene Stationierungsplanung ist in die Zukunft gerichtet richtig. Wenn man die Zeitachse im Kleinen anschaut auf der taktischen oder der operativ-taktischen Ebene, dann  ist durchaus denkbar, dass Standorte nicht so zeitgerecht adäquat zur Verfügung gestellt werden können für neue Truppenteile, weil alte nicht draußen sind oder weil Baumaßnahmen noch nicht abgeschlossen werden konnten. Aber das ist eine Verzögerung, die es immer gegeben hat, bei jedem Wandel, bei jeder Reduzierung oder bei jedem Umbau der Truppe. Ich glaube nicht, dass uns das grundsätzlich behindern wird. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Klassisch ist die Zusammenfassung der Grundausbildung im Sanitätsdienst im Lehrregiment in Feldkirchen. Dort sind infrastrukturelle Maßnahmen notwendig, die wir im vorgesehenen Zeitfenster nicht erfüllen können. D. h., da müssen wir über Alternativlösungen nachdenken. Man muss aber auch klar sagen, dass es nur temporäre Alternativlösungen sind auf dem Weg dorthin, wo wir eigentlich hin wollen.

WM: Wie stellt sich die Stimmungslage in dieser Zeit der Neuausrichtung an den Ihnen unterstellten Standorten dar?

GSA Dr. Tempel: Ich habe Verbände und Einrichtungen, z. B. das Sanitätsregiment in ­Ahlen und das Gebirgssanitätsregiment in Kempten, die wissen, dass sie auf der Zeitschiene verlegt oder aufgelöst werden. Eine infrastrukturell hervorragend ausgestattete Einrichtung stellt das Versorgungs- und Instandsetzungszentrum in Sigmaringen dar. Auch dieses wird aufgegeben. Insbesondere an diesen Standorten ist es notwendig, dass man sehr nah am Menschen bleibt, dass man ihnen sagt, wie die Zukunft aussieht, dass eine Planungssicherheit sobald wie möglich stattfindet. Wir sind, so wie wir heute hier sitzen, nicht verunsichert, aber wir haben diese Planungssicherheit noch nicht in Gänze. Mit Masse liegen die Organisationsgrundlagen noch nicht vor. Für die Regimenter und auch für das KSES sind sie im Zulauf. Solange ich keine gültigen Stärke- und Ausrüstungsnachweise habe, kann ich auch nicht Menschen auf Dienstposten bringen, weil eben die Grundlage fehlt. In der jetzigen Zeit mit einer gewissen Verunsicherung gerade dieser Menschen, die nicht wissen, wie es in ein oder zwei Jahren weitergeht, muss man sehr nah dran bleiben, muss auch ab und zu einmal noch ein bisschen mehr dahinterstehen, um Ängste zu nehmen. Grundsätzlich sind wir auf einem guten Weg in die neue Struktur. Mit Aufstellung der neuen Regimenter an den verschiedenen Standorten wird auch in diesem Punkt Ruhe einkehren.

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Generalstabsarzt Dr. Tempel (Mitte) bei der Lageeinweisung. (Bild: N. Hillemann)

WM: Herr Generalarzt, Ihr Kommando ist nun das Leitkommando für alle sanitätsdienstlichen Einsätze. Gehen Sie bei der Bereitstellung der Kontingente neue Wege? Wie fließen die anderen Kommandobereiche und die Bestandteile des Sanitätsdienstes in eben diese Gestellung ein?

GSA Dr. Tempel: Der Unterschied zu dem, was wir bisher hatten, ist, dass wir verschiedene Leitkommandos mit verschiedenen Führungsstrukturen vorhielten. Jede Führungsstruktur, auch wenn sie auf Papier vorgegeben ist, ist natürlich geprägt durch ihre Führer, die diese ausfüllen. Ein System sollte personenunabhängig, nicht personenbezogen sein. Deswegen nunmehr diese Führung aus einer Hand, die Aufstellung eines Lagezentrums im Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung. Dadurch, dass wir Dauerleitkommando sind, werden die Kontingente alle durch uns bestückt. Die Schnittstellen sind klar definiert. Wir wissen, dass es einer engen Abstimmung bedarf, wenn ich Personal aus Diez oder Koblenz brauche. Diese enge Abstimmung ist an 24 Stunden am Tag und an sieben Tage pro Woche sicherzustellen. Hier kann es Engpässe geben, hier gibt es ein Nadelöhr. Derzeit ist es verblüffend, wie gut dieses System in unserem Sanitätsdienst funktioniert.

WM: Wie stellen sich die aktuellen Entwicklungen in den Einsatzgebieten dar? Wo geht es in Zukunft in Afghanistan, auf dem Balkan, am Horn von Afrika, in der Türkei und in Mali hin?

GSA Dr. Tempel: Für Afghanistan haben wir klare Vorgaben zu reduzieren. Wir sind im Umbau in die Nachfolgeinstitution Resolute Support, die unser Minister mit 800 Soldatinnen und Soldaten als Obergrenze festgelegt hat. Dort sind wir auf einem guten Weg. Von der Lagebeurteilung her vermute ich, dass wir in Mazar-e-Sharif mit einer sanitätsdienstlichen Role-2-Einrichtung die Truppe vor Ort versorgen werden. Wir haben KFOR. Da gibt es auch klare Vorgaben, welche politischen Voraussetzungen im Lande gegeben sein müssen, um die Anzahl unserer eingesetzten Soldatinnen und Soldaten zu reduzieren. Wir sind natürlich auch Teil der Mission Atalanta am Horn von Afrika zur Bekämpfung der Piraterie. Eine kleine Erfolgsgeschichte aus meiner Beurteilung heraus. Wir beteiligen uns weiterhin an der European Trainings Mission in Somalia. Wir sind ferner vertreten bei unserem NATO-Partner Türkei mit einer Sanitätsstaffel bei Active Fence. Hier unterstützen wir sanitätsdienstlich den deutschen Flugabwehrraketenverband und beobachten aufmerksam die politischen Entwicklungen in Syrien. Der Einsatz in Mali war und ist eine Herausforderung. Das KSES hat hier zu Beginn des Jahres wieder einmal bewiesen, wie schnell und adäquat wir reagieren können mit der kurzfristigen Aufstellung von Sanitätseinsatzkräften. Aber ich betone noch einmal: Letztlich sind es politische Entscheidungen, nach denen wir uns richten und nach denen wir auch Personal vorbereiten und bereitstellen. Ein Punkt, der mir wichtig ist: Auch die kleinen Missionen, bei denen nur ein oder zwei oder fünf Sanitätssoldatinnen oder -soldaten vertreten sind, laufen sehr rund, adäquat und werden von uns in Verbindung mit den großen Kommandos in Potsdam und Koblenz eng und erfolgreich geführt. Es macht mich stolz, sagen zu können: In Weißenfels spielt ein bisschen die Musik, was die Auslandseinsätze des Sanitätsdienstes angeht.

WM: Als zuständiges Kommando für die Einsätze des Sanitätsdienstes der Bundeswehr mussten Sie zu Beginn des Jahres neue Kontingente für neue Einsatzgebiete planen und bereitstellen. Neben der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Einsätze haben Ihre unterstellen Truppenteile und Dienststellen noch viele weitere Aufgaben - seien es diverse allgemeinmilitärische und fachliche Ausbildungsmaßnahmen, Ausbildungs- und Übungsunterstützung von Fremdtruppenteilen oder die Sanitätsmaterialversorgung. Wie stark sind die Soldatinnen und Soldaten in Ihrem Kommandobereich belastet?

GSA Dr. Tempel: Ich denke, gerade jetzt in der Übergangszeit ist die ganze Bundeswehr, ist jeder auf seinem Dienstposten stark belastet. Wir haben in meinem Kommandobereich sicherlich Dienstposten, die besonders stark belastet, und auch einige, die es weniger sind. Aber generell sind während dieses Hineingleitens in die neue Struktur mitunter Doppelaufgaben wahrzunehmen. Wir haben natürlich in der Heimat ganz normale Ausbildungsaufgaben, Einsatzvorbereitung sowie Einsatznachbereitung sicherzustellen. Das Zentrum für Einsatzausbildung und Übungen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (ZEUS) in Feldkirchen gehört uns noch nicht, wird uns allerdings zeitnah unterstellt werden. Das ist essentiell, weil dort eben wesentliche Ausbildungsteile im Rahmen der Einsatzvorbereitung abgebildet werden. Das Lehrregiment hat noch nicht umgegliedert. Die Ausbildungs- und Simulationszentren, die krankenhausnah den Regimentern unterstellt aufgestellt werden sollen, stehen noch nicht. Dort werden auch zukünftig wichtige Ausbildungsabschnitte stattfinden. Wir haben einen Plan, eine Zeitachse. Aber im Übergang ist natürlich die Doppelbelastung unvermeidbar - wie gesagt: auf vielen Dienstposten. Ich denke, dies wird auch in absehbarer Zeit - und da spreche ich von den nächsten zwei Jahren – nicht deutlich abnehmen. Andererseits ist es auch nicht meine Absicht, ein Kommando zu führen, wo man „Däumchen dreht“.

WM: Das Kommando ist auch Fachkommando für national-territoriale Aufgaben des Sanitätsdienstes. Nun haben wir im Moment gerade die aktuelle Situation des Hochwassers erlebt. Wie sieht, insbesondere im Lichte der umfangreichen Einsatzverpflichtungen, Ihr Lastenbuch für Zivil-Militärische Zusammenarbeit aus?

GSA Dr. Tempel: Ich denke, die zivil-militärische Zusammenarbeit (ZMZ), die zu großen Teilen auf den Schultern von Reservisten ruht, ist ein wichtiger Kernbaustein geworden. Die Anbindung der Reservisten an uns, auch die Regung eines Korpsgeistes dort in Verbindung mit den Kräften, die in Deutschland gerade bei nationalen Katastrophen Verantwortung tragen, hätte nicht besser nachgewiesen werden können als jetzt während der Hochwasserkatastrophe. Es ist zu früh, um dort letztlich eine abschließende Bewertung vornehmen zu können. Aber das, was ich in den letzten zwei Wochen an Donau und Elbe gesehen habe, die hohe Motivation, der enge Schulterschluss zwischen zivilen Hilfsorganisationen, dem Kommando Territoriale Aufgaben in Berlin, zwischen den Truppenstellern aus den verschiedenen Bereichen der Streitkräfte war von einer beispiellosen Reibungslosigkeit. Jeder Player auf seinem Platz hat mit dem anderen Schulterschluss gehalten, und ich denke, alle im Zusammenspiel, im ganzen Konzert, haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Katastrophe nicht noch größere Ausmaße angenommen hat. Es wurde im Vorfeld diskutiert, ob wir wirklich alle ZMZ-Stützpunkte aufstellen sollen oder nicht. Die, die am Netz sind, sind eine Erfolgsgeschichte. Es ist meine absolute Absicht, alle noch nicht aufgestellten ZMZ-Stützpunkte zu realisieren und so die Reservisten nach Möglichkeit noch enger an uns zu binden. Das ist zeitaufwändig, das ist kräftebindend, aber wie wir gerade jetzt bei der Gestellung der Fluthilfe gesehen haben, lohnt es sich, sich dieser Aufgabe zu stellen.

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Generalstabsarzt Dr. Tempel bei der Dienstaufsicht im Rahmen der Fluthilfe im Juni 2013 an der Elbe (Bild: N. Hillemann)

WM: Herr Generalarzt, Sie sind mittlerweile im sechsten Jahr als Kommandeur am Standort Weißenfels eingesetzt - von 2007 bis 2012 dem Sanitätskommando III und seit Januar dieses Jahres dem Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung vorstehend. Wie hat sich Weißenfels in dieser Zeit entwickelt und was bedeutet die neue Struktur und die Stationierung des Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung für die Stadt und das Umland?

GSA Dr. Tempel: Wenn wir an das Jahr 2011 und die Phase der Stationierungsentscheidungen unseres Ministers denken und an die enorme Last, die von allen mit dem Erhalt des Standortes Weißenfels abgefallen ist - meine Person eingeschlossen, aber auch von den Kommunen in der Region und den Soldatinnen und Soldaten, die hier Dienst tun -, dann muss man sagen: Ich bin sehr, sehr dankbar, dass das so entschieden wurde. Wir haben mit der Aufstellung des Kommandos Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung im Januar in der Öffentlichkeit auf dem Marktplatz in Weißenfels einmal mehr bewiesen, dass wir bevölkerungsnah sein wollen und es auch sind. Umgekehrt haben auch die Stadt Weißenfels und die Bevölkerung bewiesen, dass sie ihre Soldaten schätzen. In diesem Jahr begehen wir 250 Jahre Garnisonsgeschichte hier in Weißenfels. Das ist ein schöner Rahmen, um ein solches Kommando in der Öffentlichkeit aufzustellen. Die Bundeswehr wurde und wird hier in der Region, im Landkreis, in ganz Sachsen-Anhalt und insgesamt im Kommandobereich des alten Sanitätskommandos III, also der sogenannten neuen Bundesländer, bestens aufgenommen. Wir haben natürlich jetzt, wo wir als Kommandobehörde bundesweite Verantwortung tragen, großes Interesse daran, auch weiterhin hier am Standort Weißenfels öffentlich präsent zu bleiben. Die Stadt weiß, dass es „ihre“ Bundeswehreinrichtung ist, auch wenn sich unsere Verantwortung mittlerweile bundesweit erstreckt. Wir sind hier gut aufgehoben, wir werden hier geschätzt und die Soldatinnen und Soldaten sind gern in der Region. Ich denke, die Bevölkerung ist nicht undankbar, dass wir an diesem Standort mit diesem Kommando erhalten geblieben sind.

WM: Herr Generalarzt, Aufträge und deren Erfüllung und auch die Zugehörigkeit zum Sanitätsdienst der Bundeswehr schweißen die Soldatinnen und Soldaten des Kommando­bereichs zusammen. Wie beabsichtigen Sie darüber hinaus den Korpsgeist in dem noch jungen Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung weiter zu vertiefen?

GSA Dr. Tempel: Das ist mit ein Grund dafür, warum ich eingangs festgestellt habe, dass meine jetzige Verwendung eine der schönsten ist, die ich jemals hatte. Mein Kommando ist ein sehr homogenes Kommando. Die Aufgaben von Sanitätspersonal, von Ärzten bis zum jüngsten Feldwebel und Mannschaftssoldaten, sind in einem Bundeswehrkrankenhaus natürlich anders als in einer regionalen Sanitätseinrichtung oder in einem Sanitätsregiment. Das Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung ist deswegen sehr homogen, weil es jetzt alle Regimenter führt, das KSES und die Versorgungs- und Instandsetzungszentren. Das ist sehr zielgerichtet, das ist eine homogene Masse an Personal und auch an Material. Auch das habe ich schon erwähnt: Motivation hat etwas damit zu tun, wie man mit Menschen umgeht. Ich erwarte von allen meinen mir nachgeordneten Führern, dass wir unsere Männer und Frauen mit Herz führen, transparent führen, sagen wo es hingeht, gerade jetzt in dieser Zeit. Jeder muss wissen, dass wir in einer schwierigen Phase des Umbaus sind! Und jeder muss wissen, wo es hingeht. Jeder soll stolz darauf sein - ob das jetzt beim Bekämpfen der Flut war oder ob das die Auftragserfüllung im Einsatz ist. Jeder muss wissen, dass er in einer dienenden Funktion ist. Mein Ziel ist es, dass jeder, der das Verbandsabzeichen des Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung trägt, dies mit Stolz tut. Das wird man nicht in Gänze hinbekommen, das ist menschlich. Wenn aber die Masse des Kommandobereiches dieses irgendwann und irgendwo so sieht, und ich glaube, wir sind da auf einem guten Weg, dann ist das Ziel von Teambildung, von Korpsgeist, von Corporate Identity zumindest so erreicht, dass man darauf aufbauen kann.

WM: Herr Generalarzt, wir danken herzlich für dieses Interview und für Ihre persönlichen Worte, die Ihre Empathie für Ihr Kommando deutlich gemacht haben.

Datum: 12.12.2013

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2013/3

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