26.10.2012 •

BAKTERIELLE ERREGER MIT ATYPISCHEN RESISTENZMUSTERN – EIN UPDATE°

Bacterial Agents with atypical Resistance Patterns – an Update



Aus dem Fachbereich Tropenmedizin (Leiter: Oberfeldarzt Dr. H. Sudeck) am Bernhard-Nocht-Institut, Bundeswehrkrankenhaus Hamburg (Chefarzt: Oberstarzt Dr. J. Nakath)



Hagen Frickmann und Ralf Matthias Hagen



°Daten dieses Beitrags wurden auf der ARCHIS-Tagung 2012 in Berlin vorgestellt.

Pathogene bakterielle Erreger mit atypischen Resistenzmustern und multi-resistente Erreger treten vermehrt in Einsatzgebieten der Bundeswehr auf und komplizieren die kalkulierte antibiotische Initialtherapie bei schweren Infektionen.

Methoden: Ausgewählte, auf der Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie DGHM 2011 präsentierte Forschungsergebnisse zur nationalen und internationalen Resistenzentwicklung werden in zusammengefasster Form dargestellt.

Ergebnisse: Als Vehikel Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) rücken zunehmend landwirtschaftliche Erzeugnisse in den Fokus. Bei geringer pathologischer Relevanz von Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) werden generelle Screenings auf diese Erreger kritisch hinterfragt. Hinsichtlich der Resistenzentwicklung bei gramnegativen Erregern bereitet die Ausbreitung der Carbapenemasen Sorgen. Bei multiresistenten gramnegativen Bakterien muss mangels Alternativen bereits auf Antibiotika zweiter oder dritter Wahl zurückgegriffen werden. Im Vergleich zu Ausbrüchen durch Acinetobacter (A.) baumannii und Pseudomonas (P.) aeruginosa weisen Ausbrüche durch Enterobakterien mit Expression einer Extended spectrum beta lactamase (ESBL) eine geringere Sterblichkeit auf. Die Diagnostik der vielfältigen Resistenztypen bei gramnegativen Erregern bleibt – insbesondere unter Einsatzbedingungen – anspruchsvoll.

Schlussfolgerungen: Die zunehmende Ausbreitung von Erregern mit komplexen Resistenzmustern in Einsatzgebieten der Bundeswehr legt den verstärkten Einsatz von Mikrobiologen vor Ort nahe, um die anspruchsvolle Differenzialdiagnostik und Beratung der Kliniker bei der Steuerung der antimikrobiellen Chemotherapie auf bestmöglichem Niveau zu gewährleisten. Wünschenswert wäre ferner die Implementierung einer generellen Resistenz-Surveillance in den Einsatzgebieten, um die kalkulierte antibiotische Initialtherapie auf eine regionsspezifisch rationale Basis zu stellen.
 

Summary

Background: Pathogenic bacteria with atypical resistance patterns or multi-drug resistant pathogens are regularly isolated in deployment areas of Bundeswehr soldiers complicating calculated antibiotic initial therapy of severe infections increasingly.

Methods: Chosen presentations from the German Society of Hygiene and Microbiology DGHM 2011 on national and international resistance spreading were summarized.
Results: Regarding the transmission of Methicillin resistant Staphylococcus aureus (MRSA), agricultural products play an increasing role. Because of the low pathogenic relevance of Vancomycin resistant Enterococcus spp. (VRE), the usefulness of general screenings for this agent is more and more critically discussed. The spread of carbapenemases is a matter of concern in the resistance of Gram-negative bacteria. Second or third line antibiotics are already in use to treat infections due to multi-drug resistant Gram-negative bacteria in face of lacking alternatives. Compared to outbreaks with Acinetobacter baumannii and Pseudomonas aeru­ginosa, outbreaks due to Enterobacteriaceae that express extended spectrum beta lactamases (ESBL) are ­associated with a lower case fatality rate. Diagnostics of the various resistance types in Gram-negative agents remain complex, especially in the field lab.

Conclusions: The increasing spread of agents with complex resistance patterns in the sites of deployment of Bundeswehr soldiers suggests the need for microbiologists in the countries of deployment to ensure an optimal quality of the resistance diagnostics and the counseling of the clinicians regarding antimicrobial ­the­rapy. An implementation of general resistance surveillance in the sites of deployment would be desirable to achieve a rational region-specific evidence for calculated antibiotic initial therapy.

 

1. Einleitung
Infektionen durch bakterielle Erreger mit erhöhter Resistenz gegen wichtige Antibiotikagruppen und multiresistente Bakterien sind ein Problem, dem sich der Sanitätsdienst im Einsatz wie im Heimatland in zunehmendem Maße stellen muss. Der Begriff Multiresistenz ist für die meisten Erregergruppen unscharf definiert. Lediglich für gramnegative Enterobakterien, Acinetobacter (A.) baumannii und Pseudomonas (P.) aeruginosa gilt eine komplexe Konsensusdefinition der Multiresistenz durch das ECDC („European centre for disease prevention and control“) und die CDC („Centers for Disease Control and Prevention“) in den USA, die sich an Leitsubstanzen aus den vier bakterizid wirkenden Antibiotikagruppen Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme und Gyrasehemmer orientiert. Wenn  ≤ 1 der Leitsubstanzen dieser Antibiotikagruppen wirksam ist, wird von Multiresistenz gesprochen (Abb 1) [1]. Die anderen nicht-säurefesten bakteriellen Krankheitserreger werden im Folgenden als multiresistent bezeichnet, wenn sie nur noch gegen ≤ 2 Antibiotikagruppen Empfindlichkeit aufweisen, sodass eine Kombinationstherapie gerade noch möglich beziehungsweise nicht mehr möglich ist. Davon abzugrenzen sind besondere Resistenzmechanismen, zum Beispiel die Expression einer Extended spectrum beta lactamase (ESBL) bei Enterobakterien, die eine Therapie mit der Substanzklasse der ersten Wahl nicht mehr möglich machen und damit die Prognose einschränken. In solchen Fällen sprechen die Autoren im Folgenden von Erregern mit atypischen Resistenzmustern.
Das Problem der multiresistenten Keime ist nicht erst durch die Behandlung der bürgerkriegsversehrten Libyer an den Bundeswehrkrankenhäusern Ende 2011 offenbar geworden. Vandersee et al. [2] beschrieben im vergangenen Jahr ausführlich die Ergebnisse eines Screenings auf Erreger mit besonderer Resistenzlage in Masar-e-Sharif von Mai bis September 2010. Solche Erreger konnten aus Abstrichen von 45 % der intensivpflichtigen und 29 % der nicht intensivpflichtigen afghanischen Patienten im Vergleich zu 4,1 % der intensivpflichtigen und 0 % der nicht intensivpflichtigen Bundeswehr-Patienten nachgewiesen werden. Zu den führenden Problemkeimen zählten mit 78 % in überwiegender Mehrzahl Enterobakterien mit ESBL-Expression, gefolgt von 8 % Enterobakterien mit anderen problematischen Resistenzmechanismen, 8 % Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) und erfreulicherweise von lediglich 6% multi-resistenten A. baumannii [2].
Mit diesem Überblick soll der interessierte Leser über aktuelle Entwicklungen zum Auftreten und zur Ausbreitung dieser Keime sowie die besondere Komplexität der Resistenzmechanismen gramnegativer Bakterien und ihrer Diagnostik informiert werden.

2. Methoden
Die Abstracts der auf der DGHM 2011 vorgestellten Präsentationen zu bakteriellen Erregern mit besonderer Resistenzlage wurden gesichtet und ihre Ergebnisse in zusammengefasster Form dargestellt. Zur Bewertung der diagnostischen Herausforderung im Zusammenhang mit gramnegativen Erregern mit atypischen Resistenzmustern wurde auf ausgewählte mikrobiologische Fachliteratur zurückgegriffen.

3. Ergebnisse

3.1 Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA)
Da das deutsche MRSA-Problem in jüngster Zeit im europäischen Vergleich auf mittlerem Niveau stabil bleibt, richtet sich der Fokus insbesondere auf community-acquired-(CA)-MRSA sowie auf life-stock-acquired-(LA)-MRSA. Dass MRSA längst nicht mehr nur im Krankenhaus oder Pflegeheim (= hospital-acquired-(HA)-MRSA) übertragen wird, sondern auch durch Haushaltskontakte oder über die Landwirtschaft, ist seit längerem bekannt. Im Zeitraum zwischen Januar 2009 und Mai 2011 untersuchte das Robert Koch-Institut (RKI) in Wernigerode 320 CA-MRSA-Isolate. Dabei fiel der vermehrte Nachweis von CA-MRSA-Stämmen im Zusammenhang mit nosokomialen Übertragungen im stationären Setting auf [3]. Ebenfalls am RKI Wernigerode gelang aus der Tauflüssigkeit von 119 tiefgefrorenen Brathähnchen von fünf verschiedenen Herstellern aus deutschen Supermärkten in 41 Proben (34 %) der Nachweis des LA-MRSA-Klons ST398 (Abb 2), womit Gefriergeflügel als MRSA-Überträger in den Fokus rückte [4]. Der Anteil der Daptomycin-Resistenz bei Staphylococcus aureus hat sich generell von 0,7 % in 2007 auf 1,8 % in 2011 mehr als verdoppelt; überwiegend betroffen sind MRSA-Isolate [5].

3.2 Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE)
Im Rahmen eines dreimonatigen VRE-Screenings auf einer Intensivstation der Universität Aachen gelang der Nachweis von VRE bei 15,1 % der Patienten. Unter den VRE-Isolaten waren 56,5 % nosokomial im Krankenhaus übertragen worden. In 33 % der VRE-Nachweise ging eine Vancomycin-Therapie voraus. Lediglich 5,4 % der VRE-Isolate konnte eine klinische Relevanz beigemessen werden. Es fand sich weder ein Zusammenhang zwischen vorausgegangener Kolonisierung und Infektion durch VRE, noch ein Zusammenhang zwischen VRE-Nachweis und Mortalität. Aufgrund der Resultate entschieden sich die Aachener Kollegen, das VRE-Screening nicht weiterzuführen und betroffene Patienten ohne Einraumisolierung zu versorgen [6].
Obwohl VRE-Screening-Isolate selten klinisch relevant sind, stellen doch vor allem Vancomycin-resistente Enterococcus faecium-Isolate wegen ihrer fast obligaten Co-Resistenz gegen Ampicillin und Gyrasehemmer im Fall einer relevanten Infektion ein erhebliches therapeutisches Problem dar. Die beginnende Resistenzentwicklung gegen Reserveantibiotika gestaltet sich, auch regional, mit 0–4 % Linezolid-Resistenz, 0–2 % Tigecyclin-Resistenz, noch 0 % Daptomycin-Resistenz und dafür 1–18 % Quinupristin/Dalfopristin-Resistenz heterogen [7].

3.3 ESBL-positive Enterobakterien
Als repräsentatives  Beispiel für die ESBL-Entwicklung in Deutschland wurden Daten von Multicenter-Auswertungen aus den Jahren 2005, 2007 und 2009 vorgestellt, an deren Erfassung 15 deutsche Labore beteiligt waren. Erfasst wurden ESBL-positive Escherichia (E.) coli-Isolate vom Typ CTX-M (CTX steht dabei für Ceftriaxon, M für München). Während zwischen den Jahren 2005 und 2007 eine Verdopplung der Nachweise von E. coli mit ESBL-Expression vom CTX-M-Typ verzeichnet werden konnte, wurde zwischen 2007 und 2009 zunächst keine weitere Zunahme beobachtet [8].

3.4 Carbapenemase-positive gramnegative Erreger
Die vom Nationalen Referenzzentrum für gramnegative Erreger in Bochum vorgestellten Daten belegen, dass fast alle der weltweit verbreiteten Carbapenemasen mittlerweile auch in Deutschland angekommen sind. In insgesamt 280 deutschen klinischen Isolaten gelang der Nachweis von Carbapenemasen der Typen OXA, KPC, VIM, IMP, NDM und GIM [9].
Während im benachbarten Österreich zwischen 2001 und 2011 lediglich 13 Patienten von Carbapenemase-Bildnern betroffen waren [10], gelang in Laboratorien des Oman bereits in einem 6-Monate-Intervall von September 2010 bis Februar 2011 der Nachweis von 18 Cabapenemase-positiven Isolaten. Bei drei der betroffenen Patienten handelte es sich um Reiserückkehrer aus Indien oder Pakistan [11].

3.5 Ausweichsubstanzen zur Behandlung von Infektionen durch gramnegative Erreger mit atypischen Resistenzmustern
Vom Nationalen Referenzzentrum für Gram-negative Erreger in Bochum wurde immerhin noch eine Sensibilitätsrate von 72 % bei Enterobakterien mit atypischer Resistenz gegenüber Fosfomycin beschrieben [12] (Gefahr der Resistenzentwicklung unter Monotherapie!).
Von der Paul-Ehrlich-Gesellschaft wurde darauf hingewiesen, dass die meisten gramnegativen Erreger – erregerabhängig variierend – noch sehr hohe Sensibilitätsraten gegenüber Oligopeptiden wie Colistin besitzen [13] (Cave! Aminoglycosid-ähnliche Nebenwirkungen!).

3.6 Übertragungsmechanismen von Problemerregern
Die mangelnde Händehygiene bleibt der Hauptgrund für nosokomiale Übertragungen. Eine Untersuchung der Medizinischen Hochschule Hannover zeigte, dass durch Hygieneschulungsprogramme beim Pflegepersonal eine häufigere Händedesinfektion erfolgte. Dagegen gab es diesen Effekt trotz entsprechender Schulung beim ärztlichen Personal nicht [14]!

3.7 Kausale Beteiligung ­gram­negativer multiresistenter Erreger an Ausbrüchen
Publizierte Ausbrüche, unter anderem verursacht durch Bakterien mit atypischer Resistenzsituation, werden in einer unter www.outbreak-database.com hinterlegten Datenbank mit Angabe der Originalpublikationen erfasst. Diese Datenbank nutzte die Arbeitsgruppe um Vonberg et al. [15] aus Hannover für eine Meta-Analyse zu Ausbrüchen durch A. baumannii, ESBL-positive Enterobakterien und P. aeruginosa (Tab 1). Jeweils waren zwischen 50 und 100 Ausbrüche dokumentiert. Die Ausbruchszeiten lagen zwischen 100 und 200 Tagen. P. aeruginosa-assoziierte Ausbrüche waren am schnellsten eingedämmt, während Ausbrüche durch ESBL-positive Enterobakterien am längsten dauerten. Bei den durch die Nonfermenter A. baumannii und P. aeroginosa bedingten Ausbrüchen waren jeweils um die 20 Patienten betroffen, bei den ESBL-Ausbrüchen knapp 50. Die Infektionsraten (im Vergleich zu bloßen Besiedlungen) lagen jeweils zwischen 70 und 80 %. Die Sterblichkeit war mit 16 % bei A. baumannii-Trägerstatus und 13 % bei P. aeruginosa-Trägerstatus deutlich höher als bei ESBL-Trägerstatus mit < 5 %. Hinsichtlich der Begleitumstände der Ausbrüche fiel auf, dass A. baumannii-assoziierte Geschehen bevorzugt in Universitätskliniken, auf Intensivstationen oder in chirurgischen Abteilungen auftraten. Im Zusammenhang mit Ausbruchsgeschehen durch P. aeruginosa stachen insbesondere laxe Hygienemaßnahmen wie Zurückhaltung bei Isolationsmaßnahmen oder Stationsschließungen sowie nur vereinzelter Gebrauch von Schutzkleidung ins Auge. Ausbrüche durch ESBL-positive Enterobakterien wurden vermehrt auf neonatologischen Stationen und im Zusammenhang mit Infektionen der ableitenden Harnwege beobachtet [15].

3.8 Diagnostische Probleme bei gramnegativen Erregern mit atypischer Resistenzsituation
Atypischen Resistenzsituationen bei gramnegativen Erregern liegt eine Vielzahl von mehreren hundert Mechanismen zugrunde. Dies ist anders als beim MRSA, bei dem die mecA-Kassette die Resistenzdeterminante darstellt, oder beim VRE, bei dem die van-Gene für die Glycopeptid-Resistenz kodieren. Der singuläre Mechanismus beim MRSA ermöglicht beispielsweise ein einfaches PCR-gestütztes Screening [16]. Dagegen gibt es derzeit keine molekularbiologischen Verfahren, die auch nur annähernd geeignet wären, die polymorphen Ursachen atypischer Resistenz bei gramnegativen Stäbchen mit vertretbarem Aufwand zuverlässig abzubilden, wenngleich die Multiplex-PCR mit Konsensus-Primern für die mehr als 200 ESBL-Typen beschrieben ist [17].
Eine desto größere Bedeutung kommt der sorgfältigen Auswertung der konventionellen Resistenztestung zu, sei es im Agar-Diffusionstest nach Kirby-Bauer, im Mikro-Bouillon-Dilutionsverfahren oder in der Beurteilung der E-Test-Streifen. Bei definierten Hemmhofgrenzen oder minimalen Hemmkonzentrationen sind Bestätigungsteste zwecks Bestätigung oder – soweit möglich – Ausschluss von ESBL- oder Carbapenemase-Expression angezeigt [18, 19] (Tab 2). Insbesondere bei komplexen Resistenzmustern kann die Identifizierung der zugrundliegenden Mechanismen die Kapazitäten der Routinediagnostik übersteigen. Beispielsweise können auch Resistenzmechanismen vom Typ ESBL oder AmpC (Tab 2) in Kombination mit Porin-Verlustmutationen phänotypisch wie eine Carbapenemase imponieren [19]. Die zuverlässige Diskriminierung kann die Einbeziehung von Speziallaboratorien beziehungsweise des Nationalen Referenzzentrums erforderlich machen, wo die strukturellen und personellen Kapazitäten für erweiterte diagnostische Verfahren inklusive der PCR- und sequenzbasierten Diagnostik [18] zur Verfügung stehen.
Eine Einteilung der Beta-Laktamasen wurde von Ambler [20] vorgeschlagen. Dabei wurden die Serin-Beta-Laktamasen den Gruppen A, C und D und die Metallo-Beta-Laktamasen der Gruppe B zugeordnet. Eine Übersicht über die wichtigsten Untergruppen und Eigenschaften nach der Einteilung nach Ambler bietet Tabelle 3. Die Resistenzmechanismen, die den ESBL im engeren Sinne zugeordnet werden, gehören zu den Beta-Laktamasen der Gruppe A (TEM, SHV und CTX-M) und D (OXA-Varianten vom ESBL-Typ) nach Ambler. Die Carbapenemasen verteilen sich auf die Gruppen A, B und D [17, 19].
Unterschiedliche Resistenzmechanismen führen zu mehr oder weniger spezifischen Resistenzmustern, die dem qualifizierten Ableser eine Zuordnung ermöglichen [17, 18]. Eine Übersicht über solche typischen Muster ist in Tabelle 4 zu sehen. Auch hier wird deutlich, dass bei Kombinationen von Resistenzdeterminanten eine phänotypische Zuordnung durch das Routinelabor kaum mehr zu leisten ist.

4. Diskussion und kritische Wertung
Aufgrund der zunehmenden Konfrontation des Sanitätsdiensts mit Infektionen durch außergewöhnlich resistente oder gar multiresistente Problemkeime ist es unvermeidlich, die Entwicklungen auf diesem Feld kritisch zu verfolgen. Nachdem dank der langjährigen Erfahrung inzwischen im Umgang mit MRSA eine gewisse Handlungssicherheit und Souveränität aufgetreten ist, bestehen bei weniger vertrauten „neueren“ Resistenzmechanismen noch vielfach Unsicherheiten und – teils irrationale – Ängste. Nicht anders ist die Aussage eines hier anonym bleibenden Kollegen aus der Anästhesie zu werten, afghanische Patienten mit Besiedlung durch multiresistente A. baumannii „kämen ihm nicht in seine Sanitätseinrichtung“ (persönliche Kommunikation). Dabei spricht auch A. baumannii, unabhängig von seiner Resistenz gegenüber Antibiotika, hervorragend auf Desinfektionsmaßnahmen an [21] und ist unter Einhaltung scharfer Hygienekautelen durchaus zu managen [22].
Interessant erscheint die von den Aachener Kollegen beschriebene geringe ätiologische Relevanz von VRE in ihrem Intensivpatienten-Kollektiv. Diese Beobachtung dürfte die alte mikrobiologisch-infektiologische Debatte neu anregen, ob Enterokokken jenseits von Infektionen der ableitenden Harnwege und der Beteiligung an Endokarditiden überhaupt ein nennenswertes pathogenes Potenzial beizumessen sei. Zukünftige Erfolge der Aachener Strategie der Nichtisolierung von VRE-Patienten bleiben abzuwarten, wobei eine rationale Entscheidung hier auch die immunologische Situation der Patienten mit einbeziehen sollte.
Speziell bei den multiresistenten gramnegativen Erregern nehmen die therapeutischen Alternativen ab, da kurzfristig keine Neuentwicklungen zu erwarten sind. Insbesondere die Ausbreitung der Carbapenemasen, die dem Kliniker auch diese wichtige Reservesubstanz zur Behandlung schwerer gramnegativer Infektionen aus den Händen zu nehmen beginnt, bedarf einer sorgfältigen Beobachtung. Angesichts der Schwächen des Glycylcyclins Tigecyclin gegenüber beispielsweise Pseudomonaden und Proteus spp. wird auch dieses Reserve-Antibiotikum den Verlust der Carbapeneme kaum allein kompensieren können. Auf alte oder Substanzen zweiter und dritter Wahl wie Fosfomycin und Colistin sollte nur nach Rücksprache mit einem Infektiologen oder beratenden Mikrobiologen zurückgegriffen werden, da im Umgang mit solchen Wirkstoffen meist wenig Erfahrung besteht und ihr unsachgemäßer Einsatz entweder zu beschleunigter Resistenzentwicklung oder selbst zur Schädigung des Patienten beitragen kann.
Die fortschreitende Resistenzentwicklung auch bei Reservesubstanzen wird durch die Verdopplung bis beinahe Verdreifachung der Daptomycin-Resistenz bei Staphylococcus aureus von 0,7 % auf 1,8 % innerhalb von nur vier Jahren belegt. Dies ist unter Berücksichtigung der vergleichsweise seltenen Anwendung von Daptomycin beeindruckend.
Entmutigend stimmen die Beobachtungen aus Hannover, mit Schulungsprogrammen zur Händehygiene beim ärztlichen Personal kaum Erfolge erzielen zu können. Möglicherweise bewirkt bei Klinikärzten eine obligatorische Teilnahme an Veranstaltungen, auf der ihnen bekannte Sachverhalte nahegebracht werden, die sie allein aufgrund ihres Zeitdrucks missachten, statt einer Verhaltensänderung eher eine Trotzreaktion und ein Abschalten. Angesichts der künftig weiter angespannten Personalsituation in den Krankenhäusern bleibt zu hoffen, dass das eigentlich vorhandene Wissen um die Konsequenzen von Hygienefehlern schließlich doch zu einem verantwortungsvollen Verhalten bei der Händedesinfektion führen wird.
Kollegen, die selbst in das Management von A. baumannii-Ausbrüchen involviert waren, mag die hohe Sterblichkeit von 16 % überraschen. Angesichts eines Erregers, bei dem kaum Pathogenitätsdeterminanten bekannt sind und der bei schwerwiegenderen Infektionen meist auf das Vorhandensein von Fremdmaterial wie Beatmungstuben angewiesen ist [23], verwundert eine Sterblichkeit, die sogar die mit 13 % angegebene bei P. aeruginosa-assoziierten Ausbrüchen übersteigt. Hier ist zu bedenken, dass die publizierten A. baumannii-Ausbrüche überwiegend Universitätskliniken und Intensivstationen betroffen haben. Hier handelte es sich vor allem um schwerstkranke Patienten, bei denen ein Ableben durch A. baumannii von einem Ableben mit A. baumannii kaum zu unterscheiden sein dürfte. Vehement und explizit sprechen sich die Autoren auch unter eingeschränkten Versorgungsbedingungen im Einsatz dagegen aus, Behandlungen von Patienten abzulehnen, die mit diesem Erreger besiedelt sind. Ein solches Vorgehen stellt in ihren Augen eine inhumane Härte dar, die angesichts einer überschaubaren pathogenen Potenz dieses Erregers ungerechtfertigt ist.
Die Vielfalt der Resistenzmechanismen von gramnegativen Erregern mit atypischer Resistenz macht deutlich, dass für eine entsprechende Diagnostik qualifiziertes Personal erforderlich ist. Daher plädieren die Autoren dafür, dass eine solche Diagnostik auch im Einsatz von qualifizierten Fachärzten oder Weiterbildungsassistenten in fortgeschrittener Weiterbildung für Mikrobiologie durchgeführt werden sollte.
Im Zusammenhang mit Screening-Untersuchungen auf Erreger mit atypischer Resistenz ist zu bedenken, dass lediglich das MRSA-Screening gut standardisiert ist [24]. Sowohl VRE als auch ESBL-positive Enterobakterien besiedeln das „Enteron“, also den Darm. Da eine untersuchte Probe aus methodischen Gründen niemals repräsentativ für den gesamten Darm sein kann, müssen negative VRE- und ESBL-Screening-Ergebnisse in ihrer Interpretierbarkeit immer limitiert bleiben. Der tatsächliche Anteil von VRE- und ESBL-Trägern dürfte somit den Anteil der Erregernachweise deutlich übersteigen. Die von den Kollegen aus Hannover demonstrierte geringe Sterblichkeit von 4 % bei ESBL-Ausbrüchen und die von den Aachener Kollegen gezeigte geringe pathogene Potenz der VRE relativieren das Problem jedoch und werfen die Frage auf, wie viel Aufwand überhaupt in entsprechende Screening-Maßnahmen investiert werden sollte.

5. Schlussfolgerungen
Sinnvoll hingegen erscheint eine aktive Resistenz-Surveillance der Isolate aus klinisch relevanten Proben erkrankter Patienten aus den Einsatzgebieten, um den behandelnden Kollegen auf dieser Grundlage basierend rationale, an das Einsatzgebiet angepasste Empfehlungen zur kalkulierten initialen Antibiotika-Therapie geben zu können. Wiederholte Isolierungen des gleichen Stamms („copy strains“) bei Kontrolluntersuchungen eines Patienten müssen von der Auswertung ausgeschlossen sein, da sie für sich keinen neuen Erregernachweis darstellen und die Statistik verfälschen. Selektive Screenings, die nur bestimmte Problemerreger erfassen, bieten aufgrund des Selektions-Bias nur ein verzerrtes Bild der Lage. Auch sollte eine Resistenz-Surveillance strukturiert und kontinuierlich erfolgen und nicht auf – für sich lobenswerten – Einzelinitiativen engagierter Laborärzte im Einsatz beruhen. So bieten zeitlich eng umschriebene Screening-Auswertungen wie die von Vandersee et al. [2] vorgestellte doch nur Moment-Aufnahmen, zeigen jedoch weder eine Dynamik noch ein generelles Bild der lokalen Resistenzlage.
Zu fordern wäre ferner auch für die Einsatzgebiete eine strukturierte Erfassung von nosokomial übertragenen Erregern sowie von Erregern mit besonderer Resistenzlage gemäß dem in Deutschland gültigen § 23 Satz 4 IfSG, um der Maxime, unseren Soldaten eine sanitätsdienstliche Versorgung auf dem Niveau des Heimatlands zukommen zu lassen, gerecht werden zu können. Eine solche Erfassung würde es auch ermöglichen, das Risiko der Einschleppung resistenter Erreger aus den Einsatzgebieten nach Deutschland besser abzuschätzen. Wünschenswert wären des weiteren Typisierungen von mutmaßlichen Ausbruchsisolaten und ausbruchsassoziierten Umgebungsisolaten zur Unterstützung der im Einsatzland tätigen Hygieniker, damit diese Quellen und Ausbreitungsmuster des Ausbruchs sauber nachvollziehen und ein weiteres Ausbruchsgeschehen vermeiden  können.
Solange keine regionsspezifischen Resistenz-Statistiken für die Einsatzgebiete existieren, ist jede kalkulierte Antibiotikatherapie für unsere verwundeten Soldaten ein therapeutischer Blindflug. Dieser aktuell bestehende Zustand ist weder den behandelnden Kollegen noch den Patienten zuzumuten, zumal er sich mit überschaubarem Aufwand abstellen ließe.
Angesichts des zunehmenden Problems resistenter Erreger wäre wenigstens ab Role-3-Einrichtungen letztlich die Anwesenheit eines Infektiologen oder beratenden Mikrobiologen zu fordern, der aufgrund der beobachteten lokalen Resistenzsituation die kalkulierte Antibiotikatherapie bei Bedarf und in enger Kooperation mit dem behandelnden Kliniker rational mitsteuern kann. Durch die Zusammenführung von Kompetenz in kollegialer Zusammenarbeit sollte so versucht werden, auch angesichts abnehmender Therapieoptionen den einzelnen Patienten einer maßgeschneiderten Antibiotika-Therapie zuzuführen, um optimale Therapieergebnisse zu erzielen und nach Möglichkeit Leben zu retten.

Literatur

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  5. Strommenger B, Nübel U, Layer F et al:: Molecular analysis of daptomycin resistance in Staphylococcus aureus. DGHM 2011; ERV01.
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  9. Kaase M, Szabados F, Anders A, Gatermann SG: Carbapenemases arrived in Germany – report of the national reference laboratory for multidrug-resistant gramnegative bacteria. DGHM 2011; ERP09.
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  22. Frickmann H, Crusius S, Walter U, Podbielski A: Management eines Ausbruchs nosokomialer Pneumonien durch einen multiresistenten Acinetobacter baumannii-Klon. Pneumologie 2010; 64: 1-8.
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  24. Gastmeier P, Witte W, Kola A et al.:  Zum Management des MRSA-Screenings. Epi Bull 2005; 42: 385-389.


Bildnachweis: Bildfundus der Autoren.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

 

Datum: 26.10.2012

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2012/10

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