IMPLEMENTIERUNG EINES WUNDMANAGEMENT AM BUNDESWEHR KRANKENHAUS HAMBURG-EIN BEISPIEL FÜR QUALITÄTSGESICHERTE VERSORGUNG

Aus der Apotheke¹ (Leiter: Flottillenapotheker H. Maatz) des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg (Chefarzt: Oberstarzt Dr. J. Nakath) und der Stabsabteilung I des Führungsstabes des Sanitätsdienstes²(Stabsabteilungsleiter: Generalarzt Dr. Ch. Veit)



von Iris Berk¹, Harry Maatz¹ und Matthias Langer²

Zusammenfassung



In Krankenhausapotheken gewinnt das patientenorientierte Erbringen spezifischer pharmazeutischer Dienstleistungen in enger Zusammenarbeit mit Ärzten und Pflegepersonal zunehmend an Bedeutung.

Damit wird auch ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) geleistet, wie am Beispiel der Implementierung eines einheitlichen Wundmanagements im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg gezeigt wird. Dazu wurden Verfahrensanweisungen und weitere Dokumente als Teil des Qualitätsmanagementsystems sowie ein Basisleitfaden zur Ergänzung der Arzneimittelliste erstellt. Es gelang, aus dem fast unüberschaubaren Produktangebot im Marktsegment Wundversorgung ein allgemein akzeptiertes Produktportfolio zusammenzustellen, das sowohl höchste fachliche Anforderungen als auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. Nach Erläuterung der Besonderheiten chronischer Wunden wird der praktische Verfahrensablauf des Wundmanagements beschrieben.

Implementation of a wound management at the Bundeswehr hospital Hamburg: An example for a quality-assured support

Summary

Specific pharmaceutical services with orientation to patients in close cooperation with physicians and the nursing staff are getting an increasing importance in hospital pharmacies. This is a significant contribution in the field of drug-safety with regard to the therapeutic process, as shown exemplarily by the implementation of a wound management system in the Bundeswehr Hospital Hamburg. Several standard operating procedures and further documents, e.g. a basic guide in addition of the hospital drug list, have been established as part of the quality management system. Furthermore, the hospital pharmacy has successfully compiled a commonly accepted product portfolio referring to wound treatments, respecting both highest technical requirements and economical aspects. After explaining some particularities of chronic wounds, the practical procedure of wound management is finally described.

Einleitung

Die Aufgaben einer Bundeswehr-Krankenhausapotheke (BwKrhsApotheke) lassen sich vor allem den drei großen Kernbereichen der Arzneimittel- und Medizinprodukte-Versorgung, der Herstellung pharmazeutischer Produkte sowie mit stark zunehmender Bedeutung dem Erbringen pharmazeutischer Dienstleistungen zuordnen. Der Tätigkeitsschwerpunkt von Krankenhausapothekern verändert sich immer mehr zu einer patientenorientierten Tätigkeit, die durch eine engere Kooperation insbesondere mit Ärzten und Pflegepersonal gekennzeichnet ist. Eine weitere Aufwertung hat dieser Aufgabenbereich zuletzt durch den Aktionsplan des Bundesministeriums für Gesundheit vom November 2007 zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Deutschland erhalten, der in diesem Jahr als Aktionsplan 2010 – 2012 fortgeschrieben wurde [1, 2].

Durch gemeinsame Anstrengungen aller am Medikationsprozess Beteiligten, wie Ärzte, Apotheker, Pflegepersonal, Patienten und andere, sollen die mit der Anwendung von Arzneimitteln immer verbundenen Risiken besser erkannt und deutlich minimiert werden. Die Verbesserung der AMTS ist damit zu einem zentralen gesundheitspolitischen Anliegen geworden. Im Bereich der Bundeswehr ist das Sanitätsführungskommando durch einen entsprechenden Erlass Fü San I angewiesen worden, konzeptionelle Vorstellungen zu entwickeln, wie insbesondere die BwKrhsApotheken noch stärker zur AMTS beitragen und ihren pharmazeutischen Sachverstand in den Medikationsprozess einbringen können [3].

Im Folgenden soll dargestellt werden, wie durch das Engagement und die fachliche Qualifikation von Apothekern die Versorgung von Patienten mit chronischen und anderen Problemwunden durch interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Ärzten und Pflegepersonal im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg verbessert werden kann und zusätzlich das Ziel höherer Wirtschaftlichkeit erreicht wird.

Ausgangssituation

In Deutschland leben etwa 4,5 Millionen Menschen mit chronischen Wunden. Sie weisen damit eine große gesundheitspolitische Relevanz auf, wobei zu erwarten ist, dass sich die Situation mit dem demographischen Wandel noch verschärfen wird [4]. Eine chronische Wunde liegt vor, wenn innerhalb von mehreren Wochen (je nach Literaturangabe 4 bis 12 Wochen) unter fachgerechter Therapie keine Heilungstendenz zu erkennen ist [5, 6]. Dabei sind die Ursachen hierfür vielfältig. Zu diesen zählen zum Beispiel Durchblutungs- oder Ernährungsstörungen, ein mechanisches Aufreißen der Wunde oder neue Traumata [6]. Die Patienten haben häufig bereits einen langen Leidensweg hinter sich, sind einem hohen Leidensdruck ausgesetzt und oft sozial isoliert. Ziel ist es, die Lebensqualität der betroffenen Patienten zu verbessern, Therapien zu optimieren und den Übergang in die ambulante Versorgung reibungslos zu gestalten.

Entwicklung des Wundmanagements

Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass es mittlerweile ein fast unüberschaubares Angebot an Materialien zur Wundversorgung auf dem Markt gibt, wurde Anfang 2008 vom Leiter der BwKrhsApotheke Hamburg, Flottillenapotheker Maatz, die Bildung eines Arbeitskreises Wundmanagement angeregt mit dem Ziel, ein einheitliches Wundmanagement im Haus zu implementieren.

Eine strukturelle Voraussetzung wurde durch die Ausbildung eines Apothekers zum Zertifizierten Wundexperten (ICW) geschaffen. Da die Wundversorgung grundsätzlich eine multiprofessionelle Aufgabe ist, war eine weitere wesentliche Voraussetzung zur Realisierung dieses Projektes daher, ein interdisziplinäres Team zusammenzustellen. Es besteht heute aus einem Gefäßchirurgen, einem Allgemeinchirurgen, der Pflegedienstleitung, einer Diabetesberaterin (DDG), drei pflegerischen Wundexperten (ICW) und dem Wundexperten (ICW) der Apotheke. Der Wundmanagement- Arbeitskreis hat Arbeitsanweisungen erstellt, Wunddokumentationsformulare überarbeitet und Verfahrensabläufe standardisiert. Diese Dokumente sind heute Teil des Qualitätsmanagementsystems und stehen allen Mitarbeitern des Hauses im Qualitätshandbuch im Kapitel Medizin- und Pflegemanagement zur Verfügung. Anfang 2009 wurde ein Basisleitfaden zur Versorgung von Patienten mit chronischen Wunden von der Wundexpertin der Apotheke unter Mitarbeit eines pflegerischen Wundexperten erstellt.

Basisleitfaden

Der Leitfaden ist Bestandteil der Arzneimittelliste des BwKrhs Hamburg und auf jedem Verbandwagen des Hauses zu finden. Er ermöglicht es, eine Erst - einschätzung von Wunden vorzunehmen und bietet Handlungshilfe bei der Auswahl des geeigneten Therapieregimes.

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Abb 1: Seite 2 des Basisleitfadens zur Versorgung von Patienten mit chronischen und sekundären Wunden

 

Zudem ist er essentieller Bestandteil des innerbetrieblichen Fortbildungskonzeptes. In Anlehnung an diesen Leitfaden wird auf den Stationen eine praxisorientierte Form der Schulung durchgeführt, um das Wissen zur Behandlung chronischer Wunden im Rahmen des Wundmanagements auch an das unmittelbar auf den Stationen zuständige Personal weiterzugeben.

Im Zusammenhang mit der Erstellung des Leitfadens wurde der Lagerbestand an Wundauflagen einer kritischen Bewertung unterzogen. Mittlerweile gibt es einen Hauptanbieter von Wundauflagen im Haus, wobei beim Zusammenstellen des Produktportfolios an erster Stelle Aspekte der Effizienz und Praktikabilität berücksichtigt worden sind. Durch die Konzentrierung auf einen Anbieter konnten zudem sehr gute Preise und somit eine hohe Wirtschaftlichkeit erreicht werden.

Ein wesentliches Anliegen in der professionellen Wundversorgung liegt darin, Traumata für die Wunde und Schmerzen für den Patienten beim Verbandwechsel zu minimieren. Im BwKrhs Hamburg werden daher Wundprodukte eines Herstellers verwendet, der mit seiner patentierten Technologie die Möglichkeit atraumatischer Verbandwechsel und den Schutz des Wundrandes vor Mazeration durch silikonbeschichtete Wundverbände unterstützt und damit höchsten Ansprüchen einer modernen Wundversorgung gerecht wird. Chronische Wunden Unerlässlich ist es, dass die Behandlung chronischer Wunden phasengerecht verläuft. Abbildung 2 zeigt einen typischen Heilungsverlauf. Die Auswahl der geeigneten Wundauflage hängt sowohl von der Heilungsphase (Reinigungs-, Granulations-, Epithelisierungsphase), dem Ausmaß und der Tiefe der Wunde (flach, tief) als auch von der Exsudatmenge (trockene, feuchte, nässende Wunde) ab.

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Abb 2: Wundheilungsphasen

 Es ist auf den ersten Blick ersichtlich, dass eine Wunde, wie im ersten Bild der Abbildung 2 dargestellt, einen anderen Anspruch an die Wundversorgung aufweist als eine Wunde in der Granulations- oder Epithelisierungsphase, wo der Wundschutz im Vordergrund steht und die Wundruhe durch seltene Verbandwechsel unterstützt wird. Grundsätzlich muss man sich mit der Frage der Kausalität von Wundheilungsstörungen auseinandersetzen. Es sind lokale und systemische Faktoren zu betrachten. Bei chronischen Wunden handelt es sich überwiegend um Komplikationen bestehender Grunderkrankungen, wie der chronisch-venösen Insuffizienz, der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit oder des Diabetes mellitus. Das heißt, vor jeden Therapiebeginn gehört eine klare Diagnosestellung. Kennt man die Ursache einer chronischen Wunde nicht, kämpft man auf verlorenem Posten. Als Beispiel ist der Dekubitus zu nennen – hier ist die Entstehungsursache Druck: Ohne Druckentlastung wird selbst die beste lokale Wundversorgung nicht zur Abheilung führen. Daraus folgt der Grundsatz, dass bei chronischen Wunden die Kausaltherapie zur Beseitigung der wunderhaltenden Ursache von einer adäquaten, phasengerechten Lokal therapie begleitet wird. Ein weiterer wichtiger Baustein einer erfolgreichen Wundbehandlung ist die individuelle Schulung und Anleitung der Patienten und der Angehörigen im Rahmen der Entlassungsvorbereitung.

Verfahrensablauf in der Praxis

Der Verfahrensablauf im BwKrhs Hamburg stellt sich folgendermaßen dar: Die Wundexperten werden im Bedarfsfall vom Pflegepersonal oder den Ärzten der Stationen telefonisch für die Behandlung von Patienten mit chronischen und anderen Problemwunden angefordert. Gleichzeitig erfolgt eine Konsilanforderung. Der Wundexperte nimmt eine Begutachtung der Wunde vor und legt mit dem zuständigen Arzt, der die Therapieverantwortung trägt, eine Empfehlung zur Wundversorgung fest. Nach der Erstversorgung übernehmen die Pflegekräfte und Ärzte der jeweiligen Station die Behandlung der Wunde. Unter Beteiligung des Wundexperten wird der Heilungsverlauf in individuell zu bestimmenden Abständen überprüft.

Eine lückenlose Wunddokumentation ist dabei wesentliche Voraussetzung für eine effektive Wundbehandlung und essenzieller Bestandteil der Qualitätssicherung. Diese erfolgt durch einen standardisierten Wunddokumentationsbogen. Damit stehen therapierelevante Informationen dem gesamten therapeutischen Team jederzeit transparent und nachvollziehbar zur Verfügung. Er ist weiterhin die Basis für eine einheitliche Wundbehandlung, wirkt Versorgungsbrüchen vor und Schnittstellenproblem entgegen. Der Wundmanagement-Arbeitskreis hat sich innerhalb von zweieinhalb Jahren erfolgreich etabliert und die Arbeits- und Informationsangebote des Wundteams werden sehr gerne in Anspruch genommen. Ganz ohne Reibungsverluste ging die Umstrukturierung des Wundmanagements allerdings nicht vonstatten. So kam es beispielsweise nach Einführung der standardisierten Wundauflagenprodukte zu Verunsicherungen im Haus, da Firmenvertreter ihre Produktmuster zu Testzwecken auf einigen Stationen verteilten. Mittlerweile stellen die Außendienstmitarbeiter der Firmen ihre Wundversorgungsprodukte ausschließlich beim Wundexperten der Apotheke vor. Hier erfolgt dann eine erste Bewertung und bei Bedarf nach Rücksprache mit den Mitgliedern des Arbeitskreises Wundmanagement eine Testung von Produkten auf ausgewählten Stationen.

Fazit und Ausblick

Die Implementierung eines Wundmanagements hatte zum Ziel, klare Therapieanordnungen in der Wundversorgung zu schaffen, das Wissen zur Behandlung chronischer Wunden zu vertiefen, mehr Transparenz in die Wundversorgung zu bringen, die Versorgungsqualität der Patienten zu verbessern, Fehler zu vermeiden und langfristig eine Entlastung des Krankenhausbudgets durch kosteneffizienten Einsatz von qualitativ hochwertigen Wundauflagen zu schaffen. Dabei wurde ökonomischen Gesichtspunkten bereits durch die Konzentrierung auf einen Hauptanbieter Rechnung getragen. Als nächstes Ziel soll die Entlassungsvorbereitung in Hinsicht auf das Wundmanagement optimiert werden, um den Übergang in die ambulante Versorgung reibungslos zu gestalten. Zur Stärkung der Nachhaltigkeit im Wissen um eine moderne Wundversorgung sollen weiterhin auf den Stationen, auf denen chronische Wunden schwerpunktmäßig vorkommen, jeweils zwei interessierte Pflegekräfte (Multiplikatoren) gewonnen werden, die als Bindeglied zwischen dem Arbeitskreis Wundmanagement und dem Stationsteam dienen.

Die zentrale Beteiligung der Apotheke beim Aufbau des Wundmanagements als klinisch-pharmazeutische Dienstleistung im Haus setzt neben fundiertem Fachwissen auch Team- und Kommunikationsfähigkeit sowie Überzeugungsarbeit voraus. Wünschenswert wäre die Etablierung eines Vollzeit-Apothekers auf Station. 

Literatur

  1. Bundesministerium für Gesundheit: Aktionsplan 2008/2009 zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Deutschland vom 29. November 2007, www.bmg.bund.de
  2. Bundesministerium für Gesundheit: Aktionsplan 2010-2012 zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Deutschland vom 19. Juni 2010, www.bmg.bund.de
  3. BMVg Fü San I – Az 42-20-00 vom 4. Juni 2009
  4. Kramer A, Hinz P, Maier S, Hübner NO, Assadian O: Indikationen und Besonderheiten der Wundantiseptik und Wirkstoffauswahl bei chronischen Wunden, Medizin und Praxis „Chronische Wunden“ Juli 2010
  5. Deutsches Netzwerk zur Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.), Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden, Osnabrück März 2008 6. Apothekerkammer Hamburg, Seminar: „Der Apotheker als Partner im Wundmanagement“ Referent/ Handout W. Sellmer, 13.Januar 2010

Die Erstautorin ist Mitglied im Wundzentrum Hamburg e. V.
 

Datum: 01.03.2011

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2010/11-12

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