BILDUNGSERFORDERNISSE DER PFLEGE

zwischen militärischer Auftragserfüllung und Anspruch des zivilen Gesundheitswesens

Aufgrund der sich durch äußere Einflüsse rasch weiter entwickelnden Arbeitswelt genügen einmal in der Ausbildung erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten nicht, um den Anforderungen eines ganzen Berufslebens gerecht zu werden. Bedingt durch stetig wechselnde Tätigkeitsfelder, müssen sich insbesondere die Pflegefachkräfte des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr kontinuierlich auf verschiedenartigste Erfordernisse einstellen. Gerade die unterschiedlichen Aufgaben und Pflegekontexte der Krankenpflege in der Bundeswehr erfordern besonders breit und gut qualifiziertes Pflegefachpersonal. Gleichzeitig bieten diese dem einzelnen Mitarbeiter vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten in fachlicher und persönlicher Hinsicht. Vor dem Hintergrund vielschichtiger Berufsanforderungen ist es unser Hauptanliegen, als Leitende Krankenschwester sowie Mitarbeiterin der Innerbetrieblichen Fortbildung des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg, die Pflegefachkräfte bei der Entwicklung unterschiedlicher Berufskompetenzen zu unterstützen.

Einleitung

In den Bundeswehrkrankenhäusern hat sich in den vergangenen Jahren der Wandel von vorwiegend militärischen Behandlungseinrichtungen zu Krankenhäusern der Grundund Regelversorgung vollzogen. Seit Beginn der Transformation der Bundeswehr im Jahre 2004 liegt der Arbeitsschwerpunkt in der fachlichen Ausbildung- und Inübungshaltung einsatzbezogener Fähigkeiten und Fertigkeiten für die Angehörigen des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Hierbei unterliegen die Bundeswehrkrankenhäuser sowohl den verteidigungspolitischen als auch den gesundheitspolitischen Vorgaben des zivilen Gesundheitsmarktes.
Da der pflegende Soldat zwischen zwei Arbeits- und Lebenswelten, dem heimatlichen Krankenhaus bzw. der Truppe und im Auslandseinsatz pendelt, muss er vielfältige, zum Teil gegensätzliche, Anforderungen erfüllen. Eine schnelle Einschätzung der Lage und die sichere Beherrschung technischer Abläufe sind im Auslandseinsatz von vorrangiger Bedeutung. Dagegen beziehen sich die im Krankenhaus zu erbringenden Pflegeleistungen stärker auf die multiperspektivische Einschätzung komplexer Pflegesituationen und der adäquaten Ableitung entsprechender Pflegeinterventionen.
Nur kompetentes und gut qualifiziertes Pflegepersonal ist in der Lage, in verschiedenen Berufssituationen eine qualitativ hochwertige Pflegeleistung zu erbringen. Zur Gewährleistung einer gleichbleibend hohen Arbeitsqualität müssen während des gesamten Berufslebens geeignete Qualifizierungsmassnahmen absolviert werden. Die Nachwuchsgewinnung im Bereich der Krankenpflege für den Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr muss kontinuierlich den veränderten Erfordernissen angepasst werden. Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, dass Eignungsübende zum Teil nur bedingt über notwendige Kompetenzen und Qualifikationen verfügen. Die jeweilige Note der Abschlussprüfung in der Gesundheits- und Krankenpflege kann nur ein schwaches Indiz für ausreichende Kompetenzen sein. Im Arbeitsalltag zeigt sich immer wieder, dass die Betreffenden nicht in der Lage sind, komplexe Aufgabenstellungen zu bewältigen. Es stellt sich die Frage, ob es durch berufliche Förderung gelingen kann, entsprechende Schwächen auszugleichen. Die Einstellungskriterien sollten jedoch im Zusammenhang künftiger Erfordernisse des Berufes gesehen und entsprechend angepasst werden. Zur Sicherung der Versorgungsqualität in Krankenhaus und Auslandseinsatz ist gut ausgebildetes und körperlich sowie seelisch belastbares Pflegefachpersonal eine der Grundvoraussetzungen.
Bei der derzeitig angespannten Haushaltslage mit knappen Personalressourcen, werden im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg verschiedenartige Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen fast ausschließlich unter Zuhilfenahme von „Bordmitteln“ durchgeführt. Das heißt, dass alle im Hause zur Verfügung stehenden Ressourcen zur Fortbildung der Mitarbeiter genutzt werden. Zukünftig werden erweiterte Maßnahmen erforderlich. Die Umsetzung bedarfsgerechter Qualifizierungskonzepte kann jedoch nur mit Unterstützung übergeordneter, entscheidungskompetenter Ebenen zielgerichtet gestaltet werden.

Rahmenbedingungen der Patientenversorgung in den Bundeswehrkrankenhäusern

Im Gegensatz zu Krankenhäusern in öffentlicher oder freigemeinnütziger Trägerschaft, richtet sich das Leistungsspektrum der Bundeswehrkrankenhäuser nicht vordergründig nach dem Versorgungsbedarf der Bevölkerung.
Angebot und Leistungen der Bundeswehrkrankenhäuser sind in erster Linie von der militärischen Zielsetzung abzuleiten, dem im Einsatz verwundeten oder erkrankten Soldaten eine qualitativ vergleichbare Versorgung wie im Heimatland zu Teil werden zu lassen. Die Einhaltung entsprechender Qualitätsstandards als verbindliche Grundlage der medizinischen Versorgung im Ausland, ist nur durch kontinuierliche Aus- und Fortbildung sowie ständige Inübunghaltung der für den Einsatz vorgesehenen Soldaten sicher zu stellen. Mit der Einbindung der Bundeswehrkrankenhäuser in den Bettenbedarfsplan des jeweiligen Bundeslandes werden eine Anzahl von Krankenhausbetten den einzelnen Fachdisziplinen zugeordnet und somit die Behandlung ziviler Patienten sicher gestellt. Damit haben die Bundeswehrkrankenhäuser nicht nur einen militärischen Auftrag zu erfüllen, sondern gleichzeitig einen Versorgungsauftrag auf dem zivilen Gesundheitsmarkt. In diesem Zusammenhang ist die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem zivilen Gesundheitssektor zur Gewährleistung einer bedarfsgerechten Patientenaquise von erheblicher Bedeutung. Die Bundeswehr hat dabei zivile Qualitäts- und Versorgungsstandards als Vergleichsmaßstab („Benchmark“) zu gewährleisten. Dies bezieht sich u.a. auf alle im Gesundheitswesen geltenden Gesetze und Bestimmungen.
Neben der Wirtschaftlichkeit ist die Kundenzufriedenheit eine der wichtigsten Zielgrößen im Wettbewerb der Krankenhäuser. Nur der Patient, der sich gut aufgehoben und wohl fühlt, kommt wieder.
Der hohe Kostendruck bei der stationären Versorgung hat eine Umverteilung von Leistungen in den ambulanten Bereich zur Folge. Mit anderen Worten: „Alles was laufen kann, wird zukünftig nicht mehr stationär im Krankenhaus behandelt...“.
Auch in den Bundeswehrkrankenhäusern nimmt die Fallzahl hochbetagter, schwerstkranker Patienten mit alterspezifischen Erkrankungen kontinuierlich zu. Leistungsspektrum und Qualitätsanforderungen in Medizin und Pflege müssen stetig und zeitnah auf diese Rahmenbedingungen abgestimmt werden.
Ein Beitrag zur Gewährleistung einer angemessenen Versorgungsqualität in der Patientenversorgung ist eine, sowohl auf einsatzrelevante Aspekte, als auch auf die aktuellen Anforderungen des Gesundheitswesens abgestimmte Qualifizierung der Mitarbeiter.

Rahmenbedingungen der Patientenversorgung im Auslandseinsatz

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In den Auslandseinsatzgebieten bildet die medizinische Versorgung erkrankter und verwundeter Soldaten den Arbeitsschwerpunkt. Das medizinische Leistungsspektrum der Einsatzmedizin, ist spezifisch auf die im Auslandseinsatz häufigsten Erkrankungen und Verletzungen sowie den entsprechenden Risiken ausgerichtet. Die sogenannten einsatzrelevanten Diagnosen beziehen sich hauptsächlich auf die Fachgebiete der Traumatologie, Notfallmedizin, Psychotraumatologie und Infektiologie.
Anders als im Bundeswehrkrankenhaus des Heimatlandes, werden in diesem Zusammenhang häufiger Verletzungen (z.B. Schuss- und Minenverletzungen) behandelt, die in Folge kriegerischer Handlungen auftreten. In diesem Rahmen muss die Notfallversorgung genauso sicher und routiniert erfolgen, wie dies in Deutschland der Fall ist.
Äußere Rahmenbedingungen sowie psychische und physische Belastungsfaktoren der pflegerischen Arbeit können sich jedoch erheblich von denen einer medizinischen Notfallbehandlung in Deutschland unterscheiden. So stellen die Begleitumstände eines derartigen Geschehens sehr hohe Anforderungen an die seelische und körperliche Leistungsfähigkeit der Soldaten. Als große Belastung werden zum Beispiel Geruch, Geschrei und die teilweise unter feindlichem Beschuss stehende Feldlager erlebt. Insbesondere Situationen, in denen der Soldat unter der Gefahr für Leib und Leben die eigenen verletzten Kameraden retten und versorgen muss, erfordern nicht nur eine große Belastungsfähigkeit, sondern auch ein hohes Maß an Professionalität.
Neben der eigentlichen Einsatzmedizin, werden im Rahmen der Nothilfe sowie weiterer freier Kapazitäten auch einheimische Zivilisten in den Einsatzlazaretten behandelt. Hier werden auch Patientengruppen mitbehandelt, wie z.B. Kinder, die üblicherweise in den Bundeswehrkrankenhäusern nicht regelhaft versorgt werden. Gleichzeitig sehen sich die Angehörigen des Zentralen Sanitätsdienstes mit vielfältigen fremdkulturellen Aspekten konfrontiert. Diese gehen weit über sprachliche Verständigungsschwierigkeiten hinaus, da Krankheitswahrnehmung und -deutung sowohl beim Patienten, als auch beim deutschen Personal durch die jeweils eigenen kulturellen Vorstellungen beeinflusst werden. Diese Tatsache kann, insbesondere in einem traditionell-religiös geprägten Umfeld, wie dies in Afghanistan der Fall ist, maßgeblichen Einfluss auf Behandlung und Pflege der Patienten ausüben (Abb. 1).
Interkulturelle Einflüsse spielen auch bei der Zusammenarbeit im multinationalen Team des Nato-Verbundes eine Rolle. Da kann es möglicherweise der Fall sein, dass ein OPTeam sich aus deutschem Pflegepersonal, einem französischen Chirurgen und einer ungarischen Hilfskraft zusammensetzt. Infrastruktur und Ausstattung unterscheiden sich von den gewohnten Umständen. So wird z.B. auch Material aus den anderen Mitgliedsstaaten des Nato - Verbundes verwendet. Den Angehörigen des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr, die in der Truppe ihren Dienst tun, fehlt überwiegend die pflegerische Routine, d.h. alltägliche Pflegeverrichtungen müssen ggf. neu erlernt bzw. eingeübt werden. Für diese Mitarbeiter ist es besonders schwierig, die Anforderungen adäquat zu erfüllen. Die Pflegefachkräfte des zentralen Sanitätsdienstes müssen auch unter schwierigen Einsatzbedingungen qualitativ vergleichbare Leistungen wie im Heimatland erbringen. Deshalb ist eine Anpassung der Anforderungsprofile an die Erfordernisse unbedingt erforderlich.

Anforderungsprofil an die Sanitätsfeldwebel im Auslandseinsatz

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Die geschilderten Einsatzbedingungen setzen bei den Pflegefachkräften des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr ein hohes Maß an Eigenständigkeit, Flexibilität und Improvisationsvermögen voraus. Unter begrenzten Personalressourcen muss der Mitarbeiter sehr schnell Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden können. Ggf. müssen ohne einen Arzt lebensrettende Maßnahmen ergriffen und schnelle, gezielte Hilfe geleistet werden können. Insbesondere unter notfallmedizinischen Bedingungen muss die Pflegefachkraft zum Teil ärztliche Tätigkeiten übernehmen und als eigenständiges Teammitglied handeln.
Anders als im heimischen Krankenhaus bzw. in der Truppe, wo im jeweiligen Pflegekontext überwiegend fachspezifisches Wissen erforderlich wird, müssen im Auslandseinsatz fächerübergreifende, generalisierte Kenntnisse bezüglich der einsatzrelevanten Fachgebiete zur Anwendung kommen. Hierzu benötigt die Pflegefachkraft ein gefestigtes, breit aufgestelltes Basiswissen in den einsatzrelevanten Disziplinen. Diesbezüglich sind hinsichtlich der allgemeinen Entwicklungen im zivilen Gesundheitswesen, mit seinen zahlreichen Spezialisierungen, gegenläufige Tendenzen zu beobachten (Abb. 2). Hohe Anforderungen werden nicht nur an einschlägige Fachkenntnisse, sondern auch an die Sozialkompetenz gestellt. Die Pflegefachkraft nimmt während des Auslandseinsatzes, unter personeller Mindestbesetzung, die Stellung eines gleichberechtigten, selbstverantwortlich agierenden Teammitglieds innerhalb des interprofessionellen Teams ein. Diese Rolle steht im Gegensatz zu der in Deutschland vorherrschenden Sichtweise der Pflegekraft als Assistenzkraft im Behandlungsteam.
Eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit ist in diesem Zusammenhang in besonderem Maße für eine professionelle, berufsübergreifende Zusammenarbeit erforderlich. Gemeint sind nicht nur reine Fremdsprachenkenntnisse. Eine differenzierte Kommunikation manifestiert sich z.B. in einem respektvollen, professionellen und kollegialen Umgang miteinander, in dem auch die Grenzen von Nähe und Distanz eingehalten werden. Auch hinsichtlich der Berücksichtigung interkultureller Aspekte in der Pflege ist diese Fähigkeit eine Grundvoraussetzung für eine wertschätzende, den Patienten als Individuum wahrnehmende Pflege. Als weitere übergeordnete Fähigkeiten sind eine planvolle, problemlösende Vorgehensweise, die Fähigkeit des sozialen Rollenwechsels und der rationalen Konfliktbewältigung sowie die der Krisenintervention für den Sanitätssoldaten in den Einsatzgebieten unerlässlich. Zur Bewältigung der einsatzbezogenen Aufgaben benötigt der Feldwebel im Sanitätsdienst ein vielfältiges Spektrum fachlicher sowie personeller Kompetenz.
Da sich das Sanitätspersonal im Auslandseinsatz nicht ausschließlich aus Mitarbeitern der Bundeswehrkrankenhäuser, sondern zu einem großen Teil aus den Soldaten der Truppen zusammensetzt, sind systematische, regelmäßig stattfindende Qualifizierungsmaßnahmen für diese Zielgruppe zwingend erforderlich. Eine ausschließlich theoretisch fundierte Aktualisierung des Fachwissens genügt an dieser Stelle nicht. Das theoretische Wissen muss unter Einsatzbedingungen flexibel abrufbarund praktisch nutzbar sein, d.h. die Pflegefachkraft muss in der Lage sein, eigenverantwortlich und situativ angemessen zu handeln. Dies kann nur durch regelmäßige praktische Anwendung des erworbenen Wissens über einen längeren Zeitraum erreicht werden. Eine sinnvolle Verzahnung von Theorie und Praxis ist damit die wichtigste Grundlage für ein entsprechendes Qualifizierungskonzept.
Für die o.g. Zielgruppe wurde bereits 2008 das Konzept der sogenannten „Inübunghaltung“ verabschiedet. Dieses Programm sieht, je nach individueller Grundqualifikation und Fachweiterbildung, den regelmäßigen praktischen Einsatz in den verschiedenen Pflegeund Funktionseinheiten der Bundeswehrkrankenhäuser vor. Ergänzend wären, neben der Einübung militärischer Fertigkeiten, begleitende parallel stattfindende, Fortbildungsmaßnahmen zur Erweiterung des medizinisch- pflegerischen Wissens sinnvoll.

Die Neuordnung der Aufgaben der Pflegefachkraft in Deutschland

Zurzeit findet in der Pflege ein Paradigmenwechsel von einem medizinischen Assistenzberuf (früher: Heil-Hilfsberuf) zu einer Profession mit klar definiertem Aufgabengebiet, statt. Im Vordergrund dieser Entwicklung steht die eigenverantwortliche Übernahme von Aufgaben in der Patientenversorgung, die nicht auf eine Delegation zurück zu führen sind. Die Aufgabenstellung ergibt sich hierbei aus dem Anspruch an die ureigene Arbeit der Pflege. Desweiteren lässt sich aus der neuen Berufsbezeichnung „Gesundheits- u. Krankenpflege“ eine Erweiterung der Pflegeaufgaben im Rahmen der Prävention ableiten. Auch hier wird der Wandel vom reinen Assistenzberuf zu einem selbständigen Berufsbild mit eigener Handlungsautonomie innerhalb eines Behandlungsteams deutlich. Der beschleunigte Wandel des Gesundheitssystems bewirkt eine stetige Veränderung von Strukturen und Ablaufprozessen im Krankenhaus, als einem wichtigen Erbringer von Gesundheitsleistungen. Die Einführung der DRG`s mit den bekannten Folgen ist nur eine jener Veränderungen der jüngeren Vergangenheit. Hier hat die frühzeitige Verlegung von Patienten und Verlagerung von Leistungen in nachsorgende Bereiche neue Aufgabenstellungen für die Pflege zur Folge.
Aufgrund steigenden Kostendrucks und Personalengpässen steht außerdem die traditionelle Arbeitsteilung zwischen Ärzten und Pflegedienst zur Disposition. In diesem Zusammenhang wird über eine Aufgabenneuverteilung aller Berufsgruppen im Gesundheitswesen diskutiert. Eine der zentralen Fragestellungen beschäftigt sich mit dem Thema der Übernahme delegationsfähiger, ärztlicher Tätigkeiten durch den Pflegedienst. Die Notwendigkeit einer Neuordnung der Aufgaben in der Pflege ergibt sich einerseits aus der sich wandelnden Berufspraxis, andererseits aus der Gesetzgebung. In Folge dessen verändern sich die Anforderungen an die Pflege analog dem Strukturwandel im allgemeinen Gesundheitswesen. Für die Pflegekraft vor Ort bedeutet sowohl die Umdeutung pflegerischen Handelns, als auch die Wandlung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, stetige Anpassung an eine sich verändernde Arbeitswelt, die nur durch eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildung bewältigt werden kann.

Allgemeines Anforderungsprofil an die Pflegefachkraft

Eine Pflegekraft benötigt zur Bewältigung gegenwärtiger und zukünftiger Aufgaben ein breites Spektrum an Kompetenzen, die weit über die fachliche Qualifikation hinausgehen. Der schnell voran schreitende medizinische Fortschritt und die Übernahme neuer Tätigkeiten leisten einer Verkürzung der Halbwertzeit des Wissens Vorschub. Ergänzend zur beständigen Aktualisierung des fachlichen Kenntnisstandes, müssen die interpersonellen Kompetenzen weiter entwickelt und unterstützt werden. Der Sozialkompetenz wird zukünftig sowohl im Rahmen direkter Patientenkontakte, als auch in der berufsübergreifenden Zusammenarbeit eine größere Bedeutung zugeschrieben, als dies bislang der Fall ist. Es ist zwar davon auszugehen, dass ein Teilnehmer während der dreijährigen Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung ein bestimmtes Maß an Wissen und Fertigkeiten aufnehmen bzw. einüben kann, zur kompetenten, sinnvollen Gestaltung einer lebenslangen Berufsausübung befähigen diese Kenntnisse jedoch nicht. Erst durch die praktische Anwendung neu erworbener Informationen werden individuelle Erfahrungen gemacht, aus deren Summe sich neue Qualifikationen ergeben. Die individuelle Kompetenz eines Menschen drückt sich im Gesamtrepertoire seiner fachübergreifenden Fähigkeiten aus. Fähigkeiten des eigenständigen Wissenserwerbs sowie der situationsgerechten Umsetzung des Gelernten sind die Voraussetzung für lebenslanges Lernen und damit Grundlage des persönlichen und beruflichen Erfolges.
Im Rahmen von Fort- u. Weiterbildung müssen Bildungsangebote folglich so gestaltet werden, dass ein nahtloser Übergang von der Aus- in die Fort- u. Weiterbildung stattfinden und individuelles Lernen durch Erfahrungen adäquat begleitet werden kann. Es besteht Bedarf an praxisorientierten, arbeitsplatznahen Lernkonzepten, die sowohl die individuelle Kompetenz stärken, als auch ein fachlich breit gefächertes Wissen vermitteln.

Notwendigkeit der Professionalisierung der Pflege in Deutschland

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In Deutschland ist bisher der erfolgreiche Ausbildungsabschluss in der Gesundheitsund Kranken-, oder Altenpflege ausreichend, um den jeweiligen Beruf bis zum Ende der Erwerbstätigkeit auszuüben. Eine gesetzliche Verpflichtung zur kontinuierlichen Aktualisierung und Erweiterung des Wissenstandes besteht bislang nicht. Vor dem Hintergrund wachsender Anforderungen an die Berufsangehörigen der drei Pflegefachberufe sind in der Pflegepraxis teilweise erhebliche Diskrepanzen zwischen Berufserfordernissen und tatsächlichem Bildungsstand der Pflegenden zu beobachten. Hinzu kommt eine größere öffentliche Aufmerksamkeit für pflegerisches Handeln hinsichtlich eines steigenden Verbraucherschutzes und einer höheren Patientenselbstverantwortung.
Einzelne Funktionen in der Pflege sind jedoch heute schon hoch spezialisiert und werden zunehmend nur durch einen akademischen Abschluss gerechtfertigt, wie dies zum Beispiel im Pflegemanagement und in der Pflegepädagogik der Fall ist, aber auch für das mittlere Management werden zukünftig akademische Abschlüsse diskutiert. Zur Festlegung eines verbindlichen Rahmens der Berufsausübung haben die Bundesländer Bremen und Saarland eine Berufsordnung für die oben genannten Pflegefachberufe erlassen. Die Bundesländer Sachsen und Rheinland- Pfalz bereiten ebenfalls eine Berufsordnung vor. In Hamburg steht ein, bereits in der Endfassung befindlicher Entwurf kurz vor der offiziellen Verabschiedung. Hier werden Berufsaufgaben und –pflichten professionell Pflegender verpflichtend geregelt. Zielsetzungen sind u.a. die Erhaltung und Förderung des Vertrauens zwischen Pflegefachkräften und Pflegebedürftigen, Sicherung der Qualität pflegerischer Tätigkeit im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung sowie die Förderung berufswürdigen Verhaltens und Verhinderung berufsunwürdigen Verhaltens. Die Kompetenzerhaltung und Qualitätssicherung ist ein zentraler Aspekt der Berufsordnung. Demzufolge hat die Pflegefachkraft eigenverantwortlich Maßnahmen zur Erhaltung der Kompetenz und der kontinuierlichen Aktualisierung des Wissensstandes zu ergreifen. Diese Maßnahmen sind der zuständigen Gesundheitsbehörde bzw. einer von ihr ermächtigten Stelle nachzuweisen. Damit haben die genannten Bundesländer die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erfüllung des Artikels 22 b 2005/36/EG geschaffen. Dieser bezieht sich auf die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen der Gesundheitsfachberufe im EU-Mitgliedsstaatenbereich, die eine Fortbildungspflicht für die entsprechenden Berufsanghörigen vorsieht. Zwei Drittel der EU-Mitgliedstaaten haben im Rahmen einer Registrierung aller professionell Pflegenden die regelmäßige Teilnahme an anerkannten Qualifizierungsmaßnahmen zur Verpflichtung gemacht. Ein Schritt in die richtige Richtung in Deutschland ist, in Ermangelung einer bundesweiten Regelung, die noch „Freiwillige Registrierung“ beruflich Pflegender. Zurzeit haben sich ca. 10 000 Pflegekräfte in Deutschland registrieren lassen und sind damit die freiwillige Verpflichtung eingegangen, regelmäßig an Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Inzwischen lassen viele Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen ihr Pflegepersonal registrieren und übernehmen dabei zum Teil die Kosten der Registrierung. Dies gilt als Qualitätsindikator für Patienten, beruflich Pflegende und Arbeitgeber. Wie können nun übergeordnete und fachspezifische Kompetenzen zur Erhaltung der Berufsfähigkeit des Pflegenden im ZsanBw erweitert und erhalten werden (Grafik 1)?

Kompetenzerhaltung und -erweiterung im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg

Die größten Schwerpunkte der Innerbetrieblichen Fortbildung (IbF) für die Pflegenden bilden im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg u.a. die Vermittlung der Pflegeplanung und – dokumentation sowie der unterschiedlichen Themenbereiche der Nationalen Expertenstandards. In diesem Zusammenhang werden kommunikative Aspekte in Bezug auf die Patientenberatung in die Seminardurchführung integriert. Zur Gewährleistung von Nachhaltigkeit und Durchdringung praxisrelevanter Inhalte sind diesbezügliche Fortbildungen als Pflichtveranstaltungen ausgewiesen. Die systematische Implementierung einer IbF für die Pflegenden, als grundlegender Pfeiler der Mitarbeiterqualifizierung, erfolgte bis zum Jahr 2001. Unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen in Pflege und Medizin ist die Themenauswahl und -gestaltung eng mit den Organisationszielen des Hauses verknüpft. Fachbezogenes Wissen und übergreifende Fähigkeiten sollen gleichermaßen gefördert und entwickelt werden. Insbesondere in Fortbildungen, wie dem Projektunterricht „Rückengerechtes Arbeiten und patientenorientiertes Bewegen“ sowie der „Kultursensiblen Pflege“, steht die Förderung übergreifender Fähigkeiten im Mittelpunkt. Durch die Vergabe von „Fortbildungspunkten“ konnte die Motivation der Mitarbeiter an Fortbildungen teilzunehmen, erheblich gesteigert werden. Zunächst wurde im Jahre 2004 ein hausinternes Ranking hinsichtlich der Teilnahmequote implementiert. Nach dem Motto „Konkurrenz belebt das Geschäft“ hat dieser Wettbewerb zu einer deutlichen Zunahme der Teilnehmerzahlen geführt. Die Punktvergabe für jede Veranstaltungen orientiert sich an den Vorgaben der Freiwilligen Registrierungsstelle für beruflich Pflegende (RbP GmbH) in Berlin. Seit dem Jahr 2008 sind wir hier als Bildungsanbieter für den innerbetrieblichen Bereich offiziell angemeldet. Um die Teilnahme der Mitarbeiter an den Veranstaltungen der Fort- und Weiterbildung transparent und nachvollziehbar zu machen, erhält jeder Mitarbeiter ein Fortbildungsnachweisheft. Dieses kann vom Mitarbeiter zur freiwilligen Registrierung eingereicht werden.
Wie alle anderen Bereiche des Hauses, unterliegt auch die Planung und Durchführung der Fortbildungen dem hausinternen Qualitätsmanagement. Jahreskennzahlen und Evaluationsergebnisse werden einmal jährlich für die Mitarbeiter veröffentlicht. Auch diese Maßnahme hat zu einer höheren Akzeptanz der Innerbetrieblichen Fortbildung bei den Pflegenden geführt. Die Überprüfung, inwieweit Lernziele erreicht und umgesetzt werden, erfolgt unter anderem im Rahmen der Projektarbeit in der Praxis. Mehrwöchige Praktika im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg haben die Zielsetzung, die in der Truppe tätigen Pflegefachkräfte in Übung zu halten. Der Praktikumseinsatz ist einmal jährlich zu absolvieren, die Dauer des Einsatzes variiert je nach Fachabteilung. Für den OP, die Intensivstation sowie die allgemeinen Stationen hat das Bundeswehrkrankenhaus Hamburg zur Qualitätssicherung, analog den Vorgaben der Durchführungsanweisung des Sanitätsamtes, Leistungskataloge mit Tätigkeitsnachweisen für den jeweiligen Bereich entwickelt. Eine schriftliche Evaluation soll dem Übenden im Anschluss an das Praktikum eine differenzierte Rückmeldung ermöglichen. Die persönliche Förderung einzelner Mitarbeiter erfolgt im Rahmen der individuellen Personalentwicklung. In jährlich stattfindenden Mitarbeitergesprächen werden ziel- und ressourcenorientierte Bildungsmaßnahmen, die mit der fachlichen Ausrichtung des Krankenhauses übereinstimmen, geplant. Die bedarfsorientierte Planung der Weiterbildungsmaßnahmen bezieht sich auf vielfältige Qualifikationen, z.B. als Führungskraft im mittleren Management, Fachweiterbildungen unterschiedlichster Ausrichtungen sowie Pflegeexperten zur Unterstützung der Umsetzung der Nationalen Expertenstandards in die Praxis. Mitarbeiter, die an weiterführenden Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen, werden vom Pflegemanagement systematisch begleitet und in der weiteren Karriereplanung unterstützt. Zum eigenständigen Wissenserwerb können die Mitarbeiter jederzeit auf Fachzeitschriften sowie eine umfangreiche Präsenzbibliothek in der Abteilung der Pflegedienstleitung zurück greifen. Der Sicherstellung einer, dem heutigen Erkenntnisstand entsprechenden Pflegequalität in Krankenhaus und Einsatz, gilt bei Planung und Durchführung aller Qualifizierungsmaßnahmen das Hauptaugenmerk der Pflegedienstleitung sowie der IbF des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg.

Fazit - Ausblick

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Inhalte und Ausformung bisheriger Qualifizierungsmaßnahmen müssen angesichts gesundheitspolitischer und verteidigungspolitischer Herausforderungen hinterfragt und den aktuellen Erfordernissen angepasst werden. Die kurz bevorstehende Einführung der Berufsordnung für Pflegefachkräfte in Hamburg bestärkt uns in der bisherigen Vorgehensweise des Fortbildungscontrollings. Damit sind erste vorbereitende Maßnahmen für eine Registrierung der Pflegenden getroffen. Da nicht in allen Bundesländern eine Berufsordnung vorliegt, besteht dringender Regelungsbedarf hinsichtlich einer einheitlich vorgeschriebenen Fortbildungspflicht für die bundesweit tätigen pflegerischen Mitarbeiter des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Die Berufsordnung beschreibt deutlich die Selbstverantwortung des Mitarbeiters für den eigenen Kompetenzerhalt. Diese bereits seit langem arbeitsvertraglich festgelegte Arbeitnehmerpflicht kann nun seitens des Arbeitgebers vom Mitarbeiter stärker eingefordert werden. Gleichzeitig ist der Arbeitgeber aufgerufen, adäquate Bildungsangebote bereit zu halten. Hierbei muss der eigenständige Wissenserwerb, stärker als bislang, in den Vordergrund rücken (Grafik 2). Ein entsprechendes Angebot wäre die flächendeckende Einführung der Certified-Nursing- Education (CNE). Dieses mediengestützte Fortbildungskonzept wird allen Mitarbeitern der Pflege online zur Verfügung gestellt. Insbesondere für die nicht ständig in der Pflege eingesetzten Mitarbeiter wären Kompetenzerhalt und -erweiterung jederzeit, auch im Auslandseinsatz, möglich. Die Kostenübernahme der Registrierung aller im ZSanBw tätigen Pflegenden könnte ein wichtiger und notwendiger Schritt auf dem Weg zur Professionalisierung der Krankenpflege in der Bundeswehr sein. Weitere, für eine umfassende Registrierung sprechende, Argumente sind die Steigerung der Wettwerbsfähigkeit der Bundeswehrkrankenhäuser auf dem zivilen Gesundheitsmarkt sowie eine größere Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber für potentielle Bewerber. Desweiteren ist die Registrierung nicht nur als Controlling-Instrument zur Überwachung des Qualifikationsstandes der Mitarbeiter von Nutzen, sondern auch Grundvoraussetzung für den Anschluss an internationale Standards. Damit ist die Registrierung auch unter dem Aspekt der gegenseitigen Anerkennung der Berufsabschlüsse innerhalb der EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der Zusammenarbeit in den Einsatzgebieten zu betrachten. In diesem Zusammenhang muss ebenfalls über eine akademische Qualifizierung der Pflegefachkräfte im Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr nachgedacht werden. Nur unter dieser Voraussetzung können mittelfristig Bildungsstand und Status der Pflegefachkräfte der Bundeswehr auf ein mit den Anforderungen der Bündnispartner vergleichbares Niveau gebracht werden. ¦

Datum: 13.10.2009

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